Gottes Zorn (German Edition)
vollem Gange. Das ist jetzt das dritte Mal, dass ich mich auf den Weg zu Mårtens Haus mache, dachte Joel. Und das zweite Mal im Schneesturm. Aber jetzt muss ich zumindest nicht mitten in der Nacht mit Axt und Schrotflinte über die Äcker stapfen.
Unterwegs musste er erneut an Fatima denken. Er suchte nach Hinweisen in dem, was sie gesagt und getan hatte.
Er hatte sich das Ganze doch wohl nicht eingebildet, oder?
Er schaltete das Radio ein und zappte auf gut Glück die Sender durch. Als irgendwo Roxy Music lief, musste er lächeln und drehte die Lautstärke auf, sodass das Saxophonsolo von Andy Mackay die Lautsprecher scheppern ließ. Und als Joel Bryan Ferrys schmachtendes «Oh, Prairie Rose …» hörte, lachte er laut los, pfiff auf seinen schmerzenden Hals und brüllte, so laut er konnte, mit: «Oh, Prairie Rose, how happy I should be …»
Das ist doch verdammt noch mal ein Zeichen!
Heute Abend rufe ich sie an. Was habe ich denn schon zu verlieren?
***
F atima schlief lange. Eva Ström hatte recht gehabt, sie brauchte wirklich ein wenig Erholung. Wie schön es doch war, ausschlafen zu können. Sie zog die Bettdecke bis unters Kinn hoch, wackelte mit den Zehen und genoss die Wärme. Als sie feststellte, dass sie in ihrem Traum nicht allein gewesen war, musste sie lächeln. Irgendjemand war da gewesen, allerdings keineswegs wie beim letzten Mal jemand, der sie bedrohte. Wie der Traum ausgegangen war, wusste sie jedoch nicht mehr.
Als Fatima aufstand und ihren Morgenmantel anzog, war es bereits nach zehn Uhr. Sie setzte Kaffee auf und blätterte zerstreut in der Morgenzeitung. Goss das welkende Basilikum im Topf auf der Fensterbank. Faltete zwei Pizzakartons zusammen und warf sie in den Mülleimer, während sie sich gelobte, in Zukunft den Müll sorgfältiger zu sortieren. Gestern Abend war es richtig nett gewesen, gemeinsam mit Lena ein paar Gläser Wein zu trinken und zu entspannen. Lena war immer gut gelaunt. Sie hatte etwas von einem göttlichen Mann geplappert, der bei ihr im Salon aufgetaucht war. Fatima war kurz davor gewesen, ihr von Joel zu erzählen.
Während sie schmutzige Gläser und Teller in die Spülmaschine räumte, musste sie über Karl Månzon nachdenken. Sie hatte Bill Lundström natürlich pflichtschuldig von ihrem Besuch bei ihm berichtet. Doch es hatte ihn nicht besonders beunruhigt, dass Mårtens Bilder möglicherweise viel Geld wert waren. Die meisten waren ja ohnehin verschwunden oder zu Asche verbrannt, wenn man Osama glauben sollte.
Schon wieder Schneesturm, dachte sie, als sie mit dem Kaffeebecher vor der Balkontür stand. Bestimmt sind das schon Anzeichen des Klimawandels.
Im Fenster des alten Mannes mit der kaputten Jalousie im Haus gegenüber war es dunkel.
Als ihr Handy klingelte, war Fatima aus irgendeinem Grund absolut sicher, dass es Joel war.
«Hallöchen!», meldete sie sich fröhlich, während sie sich in ihren Korbsessel fläzte und die Füße auf den Couchtisch legte.
«Hej, hier ist Olof Larsson.»
«Aha …», sagte sie enttäuscht.
«Tut mir leid, dass ich störe, denn Sie haben ja frei.»
«Ja, aber …»
«Ich habe versucht, Bill anzurufen, aber er meldet sich nicht. Also habe ich gedacht, ich erzähl es erst mal Ihnen.»
«Um was geht es denn?»
«Können Sie sich noch daran erinnern, als ich neulich von der Überprüfung des Sendemastes berichtet habe? Der Operateur des Telefonanbieters hat mir heute Morgen eine neue Liste gemailt. Als wir beim ersten Mal keinen Erfolg hatten, habe ich ihn darum gebeten, die Gespräche von weiteren Basisstationen im Umkreis von Tomelilla herunterzuladen. In diesem Zusammenhang tauchte diese Telefonnummer erneut auf. Osama hat also außer dem Notruf noch ein weiteres Gespräch mit derselben SIM -Karte geführt. Allerdings erst mehrere Stunden später und diesmal von einem Ort, der mehr als zehn Kilometer von Mårten Lindgrens Haus entfernt liegt. Können Sie mir folgen?»
«Ich glaube schon …»
Bedeutete das, dass Osama doch Helfer gehabt hatte? Möglicherweise seine beiden Freunde aus Kopenhagen? In Fatimas Kopf wirbelten die Gedanken nur so herum. Verdammt, und ich dachte, es sei vorbei!
«Ich habe nachgeschaut, wem die Nummer gehört, die er angerufen hat. Es ist eine Frau namens Helga Norlin. Hieß nicht so Mårten Lindgrens Freundin? Ich checke gerade gar nichts mehr.»
Helga Norlin?
Der Name sagte ihr natürlich etwas, aber keiner in der Ermittlungsgruppe hatte ihm größeres Interesse beigemessen,
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