Gottes Zorn (German Edition)
hellwach.
Die Schrotflinte, dachte er, bevor ihm einfiel, dass die Polizei sie beschlagnahmt hatte. Dabei hätte er sie jetzt gut gebrauchen können.
Plötzlich entflammte ein Zorn in ihm, der so heftig war, als hätte er einen Schlag ins Gesicht bekommen. Joel schlug die Decke zur Seite und stürzte aus dem Bett. Er zog sich die Hose an und streifte den Wollpullover über den bloßen Oberkörper, griff sich den Feuerhaken, als er am Kachelofen im Wohnzimmer vorbeistürmte, und rannte in den Flur, wo er mit erhobener Waffe die Haustür aufstieß.
Die beiden Männer auf dem Hof starrten ihn mit offenen Mündern erschrocken an, als stünden sie einem Gespenst gegenüber. Dann hielt einer von ihnen eine Fotokamera mit einem langen Objektiv vors Gesicht. Joel blinzelte im Gegenlicht und spürte das Eis auf der Verandatreppe unter seinen Fußsohlen schaben.
«Was wollen Sie?», brüllte er.
Er senkte den Feuerhaken ein wenig.
«Was schnüffeln Sie hier herum?»
Die Kamera des Fotografen klickte. Der Reporter musterte Joel von oben bis unten. In seinem Gesicht, das unter einer Zipfelmütze kugelrund wirkte, breitete sich ein amüsierter Ausdruck aus. Er schüttelte seinen Kugelschreiber und kritzelte etwas in einen Notizblock. Die dicke Daunenjacke ließ ihn wie einen Schneemann aussehen.
«Wir kommen von
Kvällsposten
», sagte er in munterem Tonfall. «Harald Bäck. Dürfen wir reinkommen?»
«Nein.»
«Tut uns leid, wenn wir Sie erschreckt haben. Sie haben bestimmt geglaubt, die Terroristen kommen zurück, oder?»
Der Journalist lachte gekünstelt, verstummte dann jedoch. Joel lehnte den Feuerhaken an die Hauswand, als ihm plötzlich die verschneite Straße einfiel.
«Wie sind Sie eigentlich hergekommen?», fragte er misstrauisch.
«Die Straße war fast ganz geräumt.»
Verfluchter Gunnar!, dachte Joel. Das hat er bestimmt nur getan, um mich zu ärgern.
«Sie sind doch Mårten Lindgrens Sohn, oder?»
«Ja …»
«Herzliches Beileid. Wirklich. Es muss schwer für Sie sein.»
Der Schneemann hatte den Kopf schräg gelegt, und man sah ihm an, dass er um einen mitleidigen Blick bemüht war.
«Wir dachten, dass Sie vielleicht … tja, über Ihr Verhältnis zueinander sprechen möchten. Manchmal hilft es ja, sich die Dinge von der Seele zu reden.»
Joel betrachtete die beiden Männer, die bis zu den Knien im Schnee standen, und verspürte nicht das geringste Bedürfnis, ihnen sein Herz auszuschütten.
«Ich habe nichts zu sagen …»
«Sie müssen nicht denken, dass wir darauf aus sind, schmutzige Wäsche zu waschen», versicherte ihm Bäck und kam, durch Joels Zögern ermuntert, ein paar Schritte näher gestapft. «Wir sind lediglich an der Wahrheit interessiert. Können wir uns nicht bei einer Tasse Kaffee darüber unterhalten?»
Vom Gesicht des Fotografen lugte oberhalb des Schals, den er mehrere Male um seinen Hals geschlungen hatte, nur eine rot gefrorene Nase heraus. Es sah aus, als sehnten sie sich geradezu danach, reinzukommen und sich aufzuwärmen.
«Nein, ich hab doch gesagt, dass ich nicht mit Ihnen sprechen möchte.»
«Aber die Trauer …», beharrte Bäck.
«Was soll damit sein?»
«Ich meine nur, dass es schwer sein muss, ein solches Erlebnis zu verarbeiten. Wie geht es Ihnen eigentlich?»
«Beschissen, ist doch klar.» Joel zögerte. «Auch wenn ich seit vielen Jahren nichts mehr mit ihm zu tun hatte.»
Als der Reporter seinen Kugelschreiber erneut schüttelte und irgendetwas von eingefrorener Tinte murmelte, entstand eine Pause.
«Es hat etwas gedauert, bis wir herausgefunden haben, dass Sie existieren», sagte er, ohne aufzuschauen. «Ich meine, dass Mårten einen Sohn hatte. Und dass Sie wieder hierhergezogen sind. Aber dann hat uns ein Nachbar berichtet, dass Sie dieses Haus gemietet haben.»
Gunnar, dachte Joel. Der alte Drecksack!
«Hatten Sie vor, sich mit Ihrem Vater zu versöhnen? Ich meine, sind Sie deswegen zurückgekommen?»
«Nein, nicht direkt …»
Seine Füße fühlten sich bereits wie Eisklumpen an. Wenn ich die beiden nicht gleich von hier wegscheuche, frieren sie noch fest, dachte Joel. Doch es war, als ließe die Kälte nicht nur sein Blut langsamer fließen, sondern ebenfalls seine Gedanken.
«Haben Sie denn eine Theorie, wer es getan haben könnte?»
«Was denn?»
«Mårten zu ermorden …?»
«Keine Ahnung», fauchte Joel. «Woher soll ich das wissen? Vielleicht ja Al-Qaida.»
«Haben Sie Beweise dafür?»
«Ach, hören Sie doch auf!» Joel
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