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Gottes Zorn (German Edition)

Gottes Zorn (German Edition)

Titel: Gottes Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olle Lönnaeus
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Pyjama. Er schaute Joel an, ohne ein Wort zu sagen.
    «Ich suche Helga Norlin. Wohnt sie hier?»
    «Wer sind Sie?»
    «Ich heiße Joel Lindgren. Ich glaube, dass Helga möglicherweise meinen Vater kennt. Oder besser gesagt, kannte.»
    Der Mann, der aussah, als wäre er um die dreißig, blinzelte etwas verschlafen, während er die Katze hinterm Ohr kraulte. Das Tier, kohlrabenschwarz bis auf eine weiße Vorderpfote, schnurrte behaglich. Aus dem Haus drang ein Duft nach frischgebackenem Brot. Jemand hantierte mit einem Backblech herum.
    «Ist sie zu Hause?», fragte Joel.
    Noch bevor der Mann etwas antworten konnte, tönte eine helle Frauenstimme aus der Küche: «Erik, hast du die Tür geöffnet?»
    Die Frau, die sich daraufhin offenbarte, hatte rosige Wangen. Sie war ebenfalls groß und ziemlich füllig. Als sie Joel erblickte, fuhr sie zusammen und starrte ihn erschrocken an.
    «Guter Gott, wie sehen Sie denn aus! Ist Ihnen etwas zugestoßen?»
    Joel befingerte verschämt die Schwellung in seinem Gesicht und konnte nicht umhin, einen Blick in den Flurspiegel zu werfen.
    «Ach, das war nur ein kleiner Unfall …»
    Der Mann im Morgenmantel machte einen verwirrten Eindruck.
    «Kennt ihr euch?»
    Die Frau trocknete sich die Hände an der Schürze ab, band sie dann ab und hängte sie an einen Haken.
    «Ich muss immer etwas zu tun haben, um nicht trübselig zu werden. Das hilft gegen die Trauer», erklärte sie und lächelte Joel aus ihrem runden Gesicht freundlich an. «Ich nehme an, Sie sind Mårtens Sohn.»
    Helga Norlin hatte wässrige blaue Augen und trug ihr glattes hellgraues Haar zu einem Knoten im Nacken hochgesteckt. Sie hatte eine Knollennase und schmale Lippen. Obwohl sie einen gerade geschnittenen dunklen Rock und eine weiße Bluse trug, die bis zum Hals hinauf geschlossen war, war Joels erster Gedanke, dass sie Mårten beim Malen seiner Nacktbilder Modell gestanden haben könnte. Sie hatte etwas Stattliches. Plötzlich brachte er kein Wort mehr hervor.
    «Ich hatte vor, Sie heute anzurufen», sagte Helga. «Denn es gibt ja viel zu organisieren.»
    Joel hob unbeholfen die Schultern.
    «Ich meine, was die Beerdigung betrifft», fuhr sie fort. «Es sollte ja nicht allzu lange dauern, bis Mårten unter die Erde kommt.»
    Ein vages Gefühl der Scham befiel Joel. Dass er die Verantwortung dafür haben sollte, sich um die sterblichen Überreste seines Vaters zu kümmern, war ihm noch gar nicht in den Sinn gekommen. Als sie ihm ihre warme Hand entgegenstreckte, begriff er zuerst gar nicht, was sie meinte.
    «Sie wären mein Stiefsohn geworden», sagte sie ernst. «Und Erik und Sie wären Stiefbrüder geworden. Wenn Mårten nicht …»
    Sie schnäuzte sich geräuschvoll in ein Taschentuch und wischte eine Träne weg, die ihr die Wange hinablief. Ihr Sohn warf ihr einen zärtlichen Blick zu. Dann setzte er die Katze auf den Boden und reichte ihm ebenfalls die Hand.
    «Mein Beileid», sagte er.
    ***
    A ls sie das Tablett mit dem Kaffee auf den Wohnzimmertisch stellte, hatte Joel bereits die ganze Sammlung von Fotografien im Bücherregal in Augenschein genommen. Auf einer von ihnen hatte er Mårten entdeckt. Das Foto war auf einer grasbewachsenen Anhöhe am Meer aufgenommen worden. Mårten und Helga standen Arm in Arm und posierten stolz vor dem Fotografen. Sie trug eine Strickjacke und einen geblümten Rock und blinzelte gegen die Sonne, während er in einen hellen Sommeranzug gekleidet war. Zwar wurden seine Augen von der Krempe eines Strohhuts verdunkelt, aber Mårten sah glücklich aus.
    «Das ist bei Ales stenar aufgenommen worden. Es war ein wunderschöner Julitag. Wir haben ein kleines Picknick gemacht. Und unseren ersten Jahrestag gefeiert.»
    Joel stellte das Foto zurück ins Regal. Sie richtete den Rahmen exakt aus und tätschelte ihm dann die Hand.
    «Setzen Sie sich doch.»
    Während sie Kaffee in dünnwandige Tassen mit dezentem Blumenmuster einschenkte, sah er sich um. Alles war absolut sauber und ordentlich. Die Porzellangegenstände auf den dunklen Mahagonimöbeln waren nahezu pedantisch angeordnet. Es bereitete ihm Schwierigkeiten, sich Mårten in diesem Zimmer vorzustellen. Über dem Sofa, auf dem Helga saß, hing allerdings ein Ölgemälde, das vom Stil her nicht ganz zur Einrichtung passte. Die Motive der anderen Bilder waren dezent, die Farben diskret, und es handelte sich um gerahmte Aquarelle und Lithographien hinter Glas. Doch das Bild über dem Sofa leuchtete in Gelb, Rot und Blau. Aus einer

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