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Gottes Zorn (German Edition)

Gottes Zorn (German Edition)

Titel: Gottes Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olle Lönnaeus
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Sommerwiese voller Mohnblumen erhob sich eine Treppe in den Himmel, und auf halber Höhe war ein Mann zu erkennen, der geradewegs in die glühende Sonne hineinkletterte.
    «Er hat es Auferstehung genannt», sagte Helga. «Es ist wirklich schön. Ich habe es von ihm geschenkt bekommen.»
    «Von Mårten? Dabei war er doch gar nicht religiös, oder?»
    Helga lächelte dezent, antwortete aber nicht.
    «Wir können ja eine Kerze für ihn anzünden», sagte sie und riss ein Streichholz an. «Denn heute hätte er Geburtstag gehabt.»
    Vergebens versuchte Joel, sich das aktuelle Datum in Erinnerung zu rufen.
    «Zweiundsiebzig», erklärte sie. «Ihr Vater wäre heute zweiundsiebzig Jahre alt geworden.»
    Sie reichte ihm einen Teller mit dampfenden Brotscheiben.
    «Ich liebe es, Brot zu backen. Das lässt mich zur Ruhe kommen. Und Sie sehen aus, als hätten Sie noch kein Frühstück bekommen.»
    Der Geruch ließ Joel spüren, dass er hungrig war. Er bediente sich, bestrich eine Scheibe mit Butter, die augenblicklich schmolz, und hobelte sich ein paar dicke Scheiben Käse ab.
    «Sie sehen sich nicht besonders ähnlich», meinte Helga, als sie aufschaute. Sie legte den Kopf schräg. «Aber ein wenig vielleicht doch …», fügte sie nachdenklich hinzu.
    «Das glaube ich kaum.»
    Das Kauen tat Joel im Kiefer weh. Er schluckte und befühlte unruhig seinen lockeren Zahn mit der Zunge.
    «In welcher Hinsicht?»
    Helga nippte an ihrem Kaffee.
    «Sie müssen wissen, dass er Sie sehr geliebt hat», sagte sie schließlich. «Und er hat Sie vermisst.»
    Lüge, dachte Joel und war nahe dran, es laut zu sagen. Doch so wahnwitzig es auch in seinen Ohren klang, ganz offensichtlich glaubte Helga an Mårtens Güte und Liebe zu seinem Sohn. Ihre Augen quollen vor zärtlichen Gefühlen regelrecht über. Was hatte der Alte dieser armen Frau nur vorgemacht? Er hatte schließlich sein Leben lang niemals irgendeinen anderen Menschen außer sich selbst geliebt.
    «Die Polizei war hier und hat eine Menge Fragen gestellt», sagte sie. «Ich glaube, sie waren von der Säpo. Aber ich nehme an, dass sie auch mit Ihnen gesprochen haben, nicht wahr?»
    «Ja …»
    «Es ist so entsetzlich. Terroristen hier in Tomelilla. Man stelle sich nur vor, dass diese Menschen sogar fähig sind, einen Mord zu begehen, weil die Leute nicht an denselben Gott glauben wie sie.»
    «Er hat es doch geradezu drauf angelegt.»
    Die Worte waren Joel einfach so herausgerutscht, und er sah, wie Helga auf ihrem Sofa erstarrte.
    «Ich werde den Verdacht nicht los, dass er selbst schuld ist», lenkte er rasch ein.
    «Geben Sie acht, was Sie da sagen!»
    Sie schniefte, und plötzlich strömten der stattlichen Frau Tränen über die Wangen. Eine ganze Weile lang saß sie von ihm abgewandt mit dem Gesicht in ihrem Taschentuch begraben da, als wollte sie ihren Gefühlsausbruch verbergen.
    Unbeholfen schaute Joel zu, wie sie trauerte. Das war verdammt unnötig, dachte er beschämt. Ich hätte es näher erklären sollen. Ich hätte ihr von all den Enttäuschungen mit Mårten erzählen sollen. Von all den Abenden, an denen ich mit knurrendem Magen zu Bett gegangen bin und den Kopf unterm Kissen vergraben habe, um das Säufergegröle aus der Küche nicht mitanhören zu müssen. Seine Wutausbrüche. All die Scheiße, die ich einstecken musste, ohne zu verstehen, was ich falsch gemacht hatte.
    Hatte sie denn nichts begriffen?
    Helgas leises Schniefen brachte Joel dazu, sich schlecht zu fühlen. Es fiel ihm schwer, kein Mitleid für sie zu empfinden. Doch das Gejammer irritierte ihn gleichzeitig. Ich müsste ihr den Schleier vor den Augen wegziehen, dachte er. Nicht einfach nur dasitzen und schweigen. Ich muss sie mit der Wahrheit konfrontieren. Ihr klarmachen, dass sie sich mit einem bösartigen Mann eingelassen hatte.
    Sie hatte doch schließlich ein Recht darauf, es zu erfahren, oder?
    Diese verdammte Nacht, als ich kurz davor war, Mårten umzubringen.
    ***
    M ama liegt auf dem Fußboden im Flur. Aufgrund des Lärms kommt Joel aus seinem Zimmer in der oberen Etage gestürzt. Die Haare an ihren Schläfen sind verklebt. Er sieht, dass sie sich übergeben hat. Vorsichtig legt er ihr zwei Finger an den Hals. Ihre Haut ist warm und feucht, aber er spürt keinen Puls.
    Joel zieht ihren fleckigen Rock glatt, um ihre Oberschenkel etwas mehr zu bedecken. Der Hass hämmert in seinem Schädel.
    Mårten sitzt am Küchentisch und scheint nicht einmal gemerkt zu haben, dass Joel heruntergekommen ist.

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