Gottes Zorn (German Edition)
Ich hatte den Eindruck, dass er zu Hause exzessiv gesoffen und es dann mit der Angst zu tun bekommen hatte, als sein Vater mitten in der Nacht bei ihm anrief. Daraufhin war er offenbar mehrere Stunden lang im Schneesturm herumgeirrt, bevor er das Haus erreichte und den Alten erhängt auffand. Ich glaube, dass er aufgrund des Schocks zusammengebrochen ist. Und es wurde auch nicht gerade besser, als wir dann am Morgen mit gezogenen Waffen das Haus stürmten.»
«Kommt er denn als Mörder in Frage?», fragte Gullbrandsson.
Bill Lundström zuckte mit den Achseln. «Wir konzentrieren uns vorerst auf Osama. Er ist unser Hauptverdächtiger. Allerdings können wir in diesem frühen Stadium nichts ausschließen. Wie ist Ihr Eindruck, Fatima?»
Sie dachte einen kurzen Augenblick nach. «Zweifelhaft. Er hat schließlich eine Schrotflinte und eine Axt mit sich geschleppt. Hätte er die Waffen nicht anwenden müssen, wenn er seinen Vater umbringen wollte? Außerdem hat er, soweit ich es verstanden habe, kein Motiv.»
«Hass?»
Sie schüttelte den Kopf. «Nein, ich glaube, dass er sich bewaffnet hat, weil er befürchtete, dort noch eine weitere Person anzutreffen. Joel Lindgren wusste schließlich, dass Drohungen gegen Mårten Lindgren vorlagen. Nach Joels Aussage hatte sein Vater Todesangst, als er bei ihm anrief.»
«Aha», meinte Bill Lundström. «Und dann haben wir da noch das zweite Telefonat.»
Er wandte sich wieder an Olof Larsson.
«Genau. Um 3 . 21 Uhr ging über den Notruf ein anonymes Gespräch bei der Polizei ein. Es war ziemlich kurz. Eine Stimme sagte: ‹Allahs Rache. Der ungläubige Hund ist bestraft worden.› Die Audiodatei ist ziemlich undeutlich. Entweder befand sich der Anrufer draußen im Sturm, oder er hat sich etwas vor den Mund gehalten, um seine Stimme bewusst zu verzerren. Aber man kann einen ziemlich markanten Akzent heraushören. Es könnte Osama gewesen sein, aber das ist unsicher.»
«Und Sie konnten das Gespräch zuordnen?» Diesmal klang Gullbrandsson etwas freundlicher.
« SIM -Karte, natürlich», antwortete Olof Larsson. «Also diesbezüglich kommen wir nicht weiter. Sie steckte jedenfalls nicht in Osamas Handy, als wir es im Zuge seiner Festnahme beschlagnahmt haben. Aber er könnte auch ein anderes benutzt haben, das er danach entsorgt hat. Er ist ja nicht dumm. Wir haben die IT -Leute gebeten herauszufinden, von welcher Basisstation aus die Signale gesendet wurden, aber das hilft uns im Moment auch nicht weiter.»
Plötzlich hatte Fatima den Eindruck, nicht mehr folgen zu können.
«Warten Sie kurz, kann jemand das Letzte noch einmal erklären?»
Gullbrandsson stöhnte ungeduldig, während Olof Larsson Fatima mit einem süffisanten Lächeln bedachte und beflissen erklärte: «Ja, wie Sie wissen, ist eine SIM -Karte anonym. Wir können sie nicht einer bestimmten Person zuordnen. Aber wir können den Telefonanbieter um die Information bitten, über welche Basisstation, also, wenn Sie so wollen, über welchen Sendemast das Gespräch weitergeleitet wurde. Damit erhalten wir eine geographische Zuordnung, wo sich derjenige befand, der anrief. Und dann können wir eine Entladung des Mastes anfordern. Das bedeutet, dass der Anbieter alle Gespräche, die in einem bestimmten Zeitintervall über diese Basisstation geleitet wurden, herunterlädt. Wenn wir die Gesprächsliste haben, können wir prüfen, ob der Inhaber der SIM -Karte in der betreffenden Nacht noch weitere Gespräche geführt hat.»
«Okay, ich verstehe», sagte Fatima rasch und bedachte Gullbrandsson mit einem Seitenblick.
Es fehlt gerade noch, dass sie mich «Kleine» nennen, dachte sie.
«Also», sagte Bill Lundström. Er stand plötzlich auf, als könnte er seine Rastlosigkeit nicht unterdrücken, und ging auf das große Whiteboard an der Wand zu. Er klopfte mit dem Zeigefinger auf das Foto von Osama. «Wenn wir von Osama Al-Dins Kommunikation ausgehen: Was haben wir diesbezüglich?»
«Sein Handy haben wir wie gesagt bereits durchsucht», antwortete Olof Larsson. «Das Interessanteste, was wir darin gefunden haben, sind Telefonate mit diversen bärtigen Gentlemen in Kopenhagen. Es handelt sich um bekannte islamistische Extremisten, die unsere Kollegen von der dänischen Sicherheitspolizei schon seit einiger Zeit im Blick haben. Inzwischen lassen sie zwei von ihnen rund um die Uhr beschatten.»
«Gut», sagte Bill Lundström. «Darüber hinaus dürfen wir allerdings die größere Drohung nicht außer Acht lassen.
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