Gottes Zorn (German Edition)
seinen Kugelschreiber auf den Notizblock auf dem Tisch vor sich.
«Und wogegen?», unterbrach ihn Fatima brüsk. «Dass es mir nichts ausmachen würde, wenn unser heiliger Freund verhungern sollte?»
«Mein Mandant ist verdächtigt worden, nicht verurteilt. Ich verbitte mir, dass er als Terrorist verleumdet wird.»
In Osamas Gesicht breitete sich ein amüsierter Ausdruck aus, während er ihren kleinen Machtkampf verfolgte, als wären sie zwei sich kabbelnde Kinder.
«Inschallah», sagte er in mildem Tonfall. «Wenn Gott will, werde ich zum Märtyrer. Das wäre doch schön, nicht wahr, Fatima?»
«Vergessen Sie’s, Osama. Sie werden zwischen den Würmern in der Erde verwesen, und zwar genauso jämmerlich und von allen vergessen wie im Leben.»
Diesmal beschloss sie, seinem Blick nicht auszuweichen. Tief in seinen Augen blitzte etwas Metallisches auf. Sie erahnte die widersprüchlichen Gefühle, die in seinem Inneren tobten. Er hasst mich, dachte sie. Oder hat er vielleicht nur Angst vor mir?
Als sein Kopf auf die Brust hinunterfiel, beschloss sie, noch einmal von vorn anzufangen.
Fatima stellte ihm Fragen über Bagdad. Über seine Reise nach Schweden. Seine Verwandtschaft, die seiner Behauptung nach über die ganze Welt verteilt lebte. Den Asylbewerberprozess. Den Schwedischunterricht und die wenigen Jobs, denen er nachgegangen war. Die Moscheen, in denen er betete. Die Freunde, mit denen er sich traf.
Osama antwortete knapp und ausweichend. Mitunter ironisch oder herablassend. Hin und wieder warf der Verteidiger einen Einwand ein. Doch insgesamt kam nicht viel Neues dabei heraus. Nichts Konkretes. Keine Details. Aber die Zeit verging, und Fatimas Frust nahm zu.
«Okay, Osama. Sie haben mir von Bagdad erzählt. Wir wissen jetzt, dass Sie vor sieben Jahren nach Schweden kamen. Sie haben Schwedisch gelernt. Gelegenheitsjobs gehabt. Aber hauptsächlich von Sozialhilfe gelebt. Wie fühlt es sich denn an, wenn ehrenhaft arbeitende Steuerzahler Ihnen in diesem schrecklichen Land Ihr frommes Leben finanzieren?»
Fatima erhielt keine weitere Reaktion auf ihre Provokation als ein Gähnen vonseiten Osamas.
«Wie Sie wissen, checken meine Kollegen gerade, mit welchen Leuten Sie Umgang haben. Erzählen Sie mir von Ihren Freunden.»
«Alle Rechtgläubigen sind meine Freunde.»
«Osama, es hilft Ihnen auch nicht weiter, den Heiligen zu spielen. Unsere Techniker haben Ihren Laptop und Ihr Handy auseinandergeschraubt und jede Mail und jede SMS , die Sie verschickt haben, zutage befördert. Wir lesen Ihre Blogeinträge im Internet. Wir kennen eine Menge von Ihren sogenannten Freunden, sowohl hier in der Stadt als auch in Kopenhagen. Erzählen Sie mir, wer von ihnen hat Sie nach Tomelilla begleitet?»
Als sie verstummte, sah sie, dass er sie höhnisch angrinste.
«Jetzt enttäuschen Sie mich aber, Fatima. Ich dachte eigentlich, dass Sie intelligenter wären.»
In einem plötzlichen Einfall wandte sie sich an den Verteidiger. «Herr Apelberg, können Sie ihm denn nicht klarmachen, dass er die Dinge nur schlimmer macht, wenn er nicht redet?»
In den Mundwinkeln des Verteidigers zuckte es, während er seinen Stift zwischen den Fingern hin- und herrollte.
«Wie Sie sehr wohl wissen, Frau Kriminalkommissarin, ist es meine Aufgabe, die Interessen meines Mandanten zu wahren. Doch im Augenblick bin ich der Auffassung, dass er durchaus in der Lage ist, für sich selbst zu sprechen.»
Mistkerl!, dachte Fatima.
Sie blätterte diverse Unterlagen in ihrem Plastikhefter durch, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Die letzte Person, die angegeben hatte, Osama am Tag vor dem Mord gesehen zu haben, war der Inhaber von Abdullahs Lebensmittelgeschäft in Lindängen. Er sagte aus, dass Osama gegen elf Uhr vormittags Brot und Obst bei ihm gekauft hatte. Danach verschwand er von der Bildfläche. Keine Gespräche von seinem Handy aus. Auch nichts in seinem Laptop.
Vor ihrem inneren Auge gelang es Fatima, ein Bild heraufzubeschwören. Ein Mann, der durch den Schnee stapft, während der Sturm über das weite, flache Land donnert. Er kämpft leicht vornübergebeugt gegen den Wind an. Der Schnee funkelt im Schein seiner Taschenlampe. An den Rändern des Lichtstrahls erahnt sie Schatten. Sind es mehrere? Sie sieht, dass der Mann einen dicken Dufflecoat mit Kapuze trägt, genau so einen, wie sie ihn in Osamas Garderobe gefunden haben.
«Was halten Sie von Schnee, Osama?»
«Was?», rutschte es ihm heraus, bevor er sich auf die Lippe
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