Gottes Zorn (German Edition)
fragen.
«Ziemlich sicher», antwortete Bill Lundström.
***
S ie ließen Osama und seinen Verteidiger absichtlich eine ganze Weile lang im Vernehmungsraum warten. Nils Apelberg war klein und schmächtig, er hatte Knopfaugen und erinnerte an ein Wiesel. Gekleidet war er in einen teuren glänzenden Anzug. Durchs Spiegelglas hindurch sahen sie ihn erst einige Worte mit seinem Mandanten wechseln und sich dann auf einen Klappstuhl an der Wand setzen. Über zwanzig Minuten lang schwiegen die beiden. Apelberg blätterte in einigen Papieren, die er aus seiner ledernen Aktentasche genommen hatte. Osama, der zusammengesunken dasaß, hatte die Augen geschlossen. Es sah aus, als betete er.
«Jetzt ist es an der Zeit», sagte Bill Lundström schließlich.
«Zerquetsch ihm die Eier, Fatima», ermunterte Olof Larsson sie.
Mit einer knappen Handbewegung signalisierte er ihr, wie sie vorgehen sollte. Lundström warf ihm einen kühlen Blick zu.
«Sind Sie sicher, dass ich ihn ein weiteres Mal vernehmen soll?», fragte sie unsicher. «Denn ich weiß nicht … Manchmal habe ich das Gefühl, dass er sich in mich hineinfrisst. Als würde er mich analysieren und versuchen, die Kontrolle über mich zu gewinnen.»
«Sie bringen ihn dazu zu reagieren», entgegnete Lundström bestimmt. «Das ist mehr, als irgendein anderer von uns bislang geschafft hat. Es geschieht etwas. Das ist nie verkehrt.»
«Das Ganze kommt mir eher wie ein Spiel vor.»
Er sah sie an, ohne eine Miene zu verziehen. «Ist das nicht genau das, was wir die ganze Zeit über machen? Ein Spiel spielen?»
«Die ganze Zeit …?»
Er nickte bestimmt. «Die ganze Zeit!»
Als Fatima begriff, dass er keine Witze machte, stand sie auf und betrat den Vernehmungsraum.
Der Strafverteidiger fuhr augenblicklich von seinem Stuhl hoch. Seine Stimme war piepsig und überschlug sich, als befände er sich im Stimmbruch. «Der Gesundheitszustand meines Mandanten hat sich verschlechtert. Das ist nicht akzeptabel. Sie können ihn nicht vernehmen, während er sich im Hungerstreik befindet.»
Osama reagierte nicht. Schlief er etwa? Oder tat er nur so?
Fatima bemühte sich, hart zu klingen. «Er hat sich zwei Tage lang geweigert zu essen. Das nenne ich noch keinen Hungerstreik», entgegnete sie in gleichgültigem Tonfall.
«Ich möchte wissen, ob er angemessene Kost bekommt.»
«Wie alle Muslime bekommt er Mahlzeiten, die halal sind. Das Gefängnispersonal sagt, dass er sich weigert, das Essen anzurühren. Was erwarten Sie von uns? Dass wir ihn zwangsernähren?»
Sie registrierte ein schwaches Zucken in Osamas Gesicht.
«Wenn er sich weiterhin weigert, müssen wir wohl eine Krankenschwester kommen lassen, die ihm eine Sonde in den Hals schiebt. Sie können beruhigt sein. So etwas können wir jederzeit in die Wege leiten.»
Apelberg wirkte mit einem Mal unsicher, als wüsste er nicht genau, ob sie es ernst meinte. Er setzte sich wieder.
Bevor sie fortfahren konnte, öffnete Osama seine schweren Augenlider.
«Ich habe von Ihnen geträumt, Fatima», sagte er mit matter Stimme.
«Reden Sie doch keinen Mist!»
Er blinzelte durch seine Wimpern hindurch. «Sie und ich, wir waren in einem goldenen Palast, Fatima. Wir haben Wasser aus einem Brunnen getrunken. Kaltes klares Wasser. Und wir haben den süßesten Honig gegessen. Kleine rote und gelbe Vögel haben für uns gesungen. Glauben Sie, dass wir im Himmelreich waren, Fatima?»
«Wohl kaum. Denn ich habe heute Nacht in einem tristen Hotelbett geschlafen, und soweit ich weiß, lagen Sie unten schnarchend in einer Zelle. Ich bin vielmehr daran interessiert zu hören, wo Sie sich in der Nacht auf den zwölften Februar befanden. Die Nacht, in der Mårten Lindgren ermordet wurde.»
Osama grinste höhnisch, als wolle er andeuten, dass sie ein gemeinsames Geheimnis hüteten. Sie zog ihre Strickjacke enger um sich, obwohl es warm und stickig war.
«Das werde ich Ihnen nicht sagen», antwortete er leise.
Man sieht, dass er keine Nahrung zu sich genommen hat, dachte Fatima. Er ist ja mager wie ein Gerippe.
«Und warum essen Sie nichts?»
Ein Schatten zog über sein Gesicht. Sie bereute ihre Frage sofort.
«Machen Sie sich Sorgen um mich, Fatima?»
«Nicht im Geringsten», antwortete sie rasch. «Wenn Sie verhungern, müssen wir nicht mehr hier rumsitzen und uns den Mund fusselig reden. Ein Terrorist weniger. Und die Welt wird zu einem lebenswerteren Ort.»
«Jetzt muss ich aber protestieren …», begann Apelberg und warf
Weitere Kostenlose Bücher