Gottes Zorn (German Edition)
zu riskant gewesen; reich wurden sie mit ihren Geschäften also nicht. Aber es lief gut. Bis eines Tages etwas Unvorhergesehenes geschah.»
Joel sank ebenfalls auf einen Stein, machte jedoch eine abwehrende Geste, als sie ihm den Joint anbot.
«Und was?»
«Eines Tages kam Torsten dahinter, dass Dragan und Mårten ihn reingelegt hatten. Sie hatten eine Ladung unterschlagen und auf eigene Rechnung verkauft. Aber Torsten nimmt so etwas nicht einfach hin. Also hat er Dragan zu einer Angeltour hier auf dem See überredet und ihn mit dem Anker erschlagen.»
«Aber der Graf hat doch gesehen …?»
«Adler hat zwei Männer in einem Boot gesehen und angenommen, dass es Dragan und Mårten waren. Aber das stimmte nur zur Hälfte.»
«Das verstehe ich immer noch nicht. Wenn sie ihn zu zweit reingelegt haben, warum hat Torsten dann nicht auch Mårten umgebracht?»
Sie blinzelte ihn durch den Rauch hindurch an. «Das ist eine gute Frage. Denn er hatte mehr als einen Grund dazu.»
«Mehr, als hintergangen worden zu sein?»
«Ja …»
Trotz der Dunkelheit sah Joel, dass sich ihr Gesicht in Falten legte und zu einem fast scheuen Lächeln verzog.
«Ihr Vater war ein Frauenheld … Als Torsten uns erwischte, hat er mich halb totgeschlagen.»
Es dauerte einige Sekunden, bis Joel begriff, was sie meinte, und als der Groschen fiel, konnte er es kaum glauben. Jetzt tauchten sie auf, die Frauen, eine nach der anderen, und behaupteten, dass Mårten sie erobert hätte. Erst Helga, dann Siw Wollgren und jetzt diese Rakel, die Frau eines durchgeknallten Predigers.
«Es ist schon viele Jahren her», fuhr sie fort. «Aber Torsten duldet keinen Verrat. Er ist ein nachtragender Teufel, und er hat Mårten mehr als irgendeinen anderen Menschen auf der Welt gehasst.»
«Aber warum …?»
«Immer mit der Ruhe, Junge», unterbrach sie ihn irritiert. «In der Nacht, nachdem Torsten Dragan erschlagen hatte, zwang er mich, mit dem Pick-up hier herauszufahren, um ihm zu helfen, die Leiche vom Boot hier ans Ufer zu schleppen und ein steinernes Grab aufzuschichten.» Sie wischte sich die Nase mit dem Ärmel ihres Pelzmantels ab. «Torsten hat ihm sogar eine Grabrede gehalten, und zwar genau hier, wo wir jetzt sitzen. Ich erinnere mich noch daran, dass er ihn einen Kriegskameraden genannt hat. Er sah sich gezwungen, Dragan zu töten, aber er wollte ihn dennoch ehren. Und als wir die letzten Steine an Ort und Stelle gerückt hatten, meinte Torsten, dass er auch einen Plan für Mårten hätte.»
Joel wartete ungeduldig, während sie ein Blechdöschen zur Hand nahm und sich eine neue Zigarette drehte. Plötzlich war es, als hätte sie alle Zeit der Welt. Sie spuckte in den Schnee, bevor sie fortfuhr.
«Aber Torsten konnte Mårten nicht einfach ebenfalls erschlagen. Dann hätten ja alle gewusst, wer der Mörder war. Insbesondere, weil sich die Leute im Ort schon über unser kleines, ja wie soll ich es nennen, Techtelmechtel das Maul zerrissen. Also erzählte Torsten überall herum, dass es Mårten war, der mit Dragan zum Angeln draußen gewesen war. Das war ziemlich listig von ihm. Denn Torsten war sich sicher, dass Dragans Bruder Goran wahnsinnig werden und Mårten kaltmachen würde, dann hätte er sich nicht selbst die Hände schmutzig machen brauchen. Aber daraus wurde nichts.»
Als sie zu Ende geredet hatte, saßen sie eine ganze Weile lang still nebeneinander. Die Kälte drang langsam, aber sicher durch Joels Schaffellmantel hindurch. Rakel sog an ihrer Zigarette und schaute ihn hin und wieder mit einer gewissen Zärtlichkeit im Blick durch die Rauchwolken hindurch an. Sagte sie wirklich die Wahrheit? Ihm fiel kein Grund ein, warum er anzweifeln sollte, was sie erzählt hatte, außer, dass die Frau ihm komplett verrückt erschien.
Das Loch im Wikingergrab klaffte schwarz.
Torsten hatte bereits einen Mann ermordet. Und offenbar hatte er ein Motiv, noch einen weiteren zu töten.
«Und warum erzählen Sie mir das alles?»
«Ich mochte Mårten. Und wie ich gesagt habe: Jetzt, wo er tot ist, will ich nicht, dass Sie glauben, Ihr Vater wäre ein Mörder gewesen.»
«Aber Ihnen ist doch klar, dass die Polizei das erfahren muss, oder?»
Sie drückte die Zigarette auf einem Stein aus, steckte die Kippe in die Tasche und stand auf.
«Sorgen Sie dafür, dass die Leiche gefunden wird. Mit Torstens Dose. Dann regelt sich alles Weitere. Das Einzige, was ich im Gegenzug von Ihnen erwarte, ist Ihr Versprechen, dass keiner jemals erfährt, dass
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