Gottes Zorn (German Edition)
es von mir kam. Denn sonst bin ich geliefert.»
Ohne noch weitere Worte zu verlieren, ging sie mit Axthieben und Tritten auf den Grabhügel los, sodass Erde und Schnee umherflogen und der Steinhaufen in sich zusammenfiel. Joel wusste sich keinen anderen Rat, als ihr zu helfen. Bald darauf hatten sie mit vereinten Kräften erreicht, dass es aussah, als wären tatsächlich Wildschweine dort gewesen. Von Dragan Djelics Knochen waren nicht nur ein Teil des Schädels, sondern auch eine Hand und ein Unterschenkelknochen zu sehen, die zwischen den Steinen hervorlugten. Schließlich nahm Rakel einen großen Kiefernzweig und verwischte ihre Fußspuren, so gut es ging.
«Wir müssen darauf hoffen, dass noch mehr Schnee fällt und die Spuren verdeckt», murmelte sie, als sie fertig waren.
Dann hakte sie sich zu Joels Erstaunen bei ihm unter, und die beiden stapften Seite an Seite auf dem Waldweg zurück zu ihren Autos. Er mit einer Axt in der Hand und sie mit einer Schneeschaufel.
Als Joel das Gesicht zum Himmel reckte, spürte er, dass die Schneeflocken bereits durch die Luft segelten.
Kapitel 26
D ie Villa aus dunkelrotem Backstein war die größte im Ort und lag eingebettet zwischen Obstbäumen und Wacholderbüschen, die sich unter der Last des Schnees bogen. Von der Eingangspforte bis zur Treppe lag der Garten weiß und unberührt da. Joel war offensichtlich der erste Besucher am Morgen. Er schloss die Wagentür, so leise er konnte, und reckte die Glieder.
Ein einziges Fenster war erleuchtet.
Halb verdeckt von einer dunklen Gardine, erblickte er eine vollkommen reglos dastehende Gestalt. Es schien, als beobachtete ihn der Rechtsanwalt, oder wer auch immer es war. Joel gähnte und tat so, als sähe er ihn nicht. Die unbehaglichen Ereignisse der vergangenen Nacht steckten ihm noch in den Knochen. Der Totenschädel unter dem Steinhaufen hatte ihn im Traum verfolgt, genauso Rakels gespenstische Erscheinung im Schein der Öllampe. Sie schien ihm nichts Böses zu wollen. Im Gegenteil. Dennoch war sie ihm irgendwie nicht geheuer. Viele Stunden Schlaf hatte er nicht bekommen. Joel war genauso entkräftet aufgewacht, wie er zu Bett gegangen war.
Was sollte er nur mit dem anfangen, was sie ihm erzählt hatte?
Ihre Angst vor dem Prediger war offenbar echt und absolut nachvollziehbar. Torsten Olsson hatte schon einmal gemordet und war bestimmt ohne Weiteres in der Lage, auch seine Ehefrau zu erschlagen, wenn er erführe, dass sie ihn hintergangen hatte.
Zu Hause am Küchentisch sitzend, hatte Joel überlegt, ob nicht der Rechtsanwalt möglicherweise einen Ausweg wusste. Rechtsverdreher unterlagen doch der Schweigepflicht. Wenn Joel diesem Berelius vom Schicksal Dragan Djelics berichtete, wäre er doch zur Diskretion verpflichtet, oder?
Joel hob den schweren Türklopfer an und ließ ihn ein paarmal gegen die Tür schlagen. Es dauerte, bis sich im Haus etwas rührte. Die Frau, die ihm schließlich öffnete, hatte ihr hellblondes Haar zu einem strengen Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie trug eine gelbe Strickjacke über einer gepunkteten Seidenbluse und lächelte ihn mit roten Lippen an.
«Willkommen, treten Sie ein. Urban erwartet Sie bereits.»
Ihre Stimme erkannte er vom Telefonat am Vortag wieder. Die sonnengebräunte Sekretärin war von einer Parfümwolke umgeben. Falls sein zerschlissener Schaffellmantel Missfallen bei ihr erregte, verbarg sie es geschickt.
«Urban hat mir schon von Ihnen erzählt. Sie waren Klassenkameraden, nicht wahr?», zwitscherte sie über die Schulter hinweg, während sie auf hohen Absätzen durch einen dunklen Korridor trippelte.
Rechtsanwalt Urban Berelius hatte sich hinter einen massiven Schreibtisch aus Eiche gesetzt und schaute von seinen Unterlagen auf, als wäre er mitten in einem komplizierten Gedankengang unterbrochen worden. Er klickte die Miene seines Kugelschreibers weg und klemmte ihn akkurat in die Innentasche seines Anzugs. Erst als er aufstand und Joel eine schlaffe, aber braungebrannte Hand entgegenstreckte, erkannte Joel ihn wieder. Er verspürte unmittelbar ein Ziehen in der Magengegend.
«Mein Beileid», sagte der Rechtsanwalt zur Begrüßung.
Er wirkte nicht besonders anteilnehmend.
«Schön, dich zu sehen, Joel. Trotz des traurigen Anlasses. Setz dich doch.»
Stottern tat er auch nicht mehr.
«Was für eine Eiseskälte, nicht wahr! Tja, aber ich kann mich nicht beschweren. Ulrika und ich sind gerade von einer zweiwöchigen Golfreise nach Florida zurückgekommen.
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