Gottes Zorn (German Edition)
lauter gierige Mäuler lauerten, steckte er die Hand hinein und leuchtete.
Der Totenkopf grinste ihn an.
Im Schein der Taschenlampe leuchtete der Schädelknochen gelblich weiß.
Mit zwei schwarzen Augenhöhlen sowie Kieferknochen und Zähnen, die freigelegt waren, nachdem das Fleisch im Gesicht verwest war.
Joel gab einen lauten Schrei von sich, wich zurück und konnte gerade noch eine kriechende Bewegung ausmachen, bevor er das Gleichgewicht verlor. Er rutschte rücklings den Steinhaufen hinunter, während ihm die Taschenlampe aus der Hand glitt und er im Fallen die Öllampe umriss, die zischend erlosch. Als er sich im Schnee wieder aufsetzte, meinte er, ihm wäre das Herz stehengeblieben.
Er hörte ein glucksendes Geräusch.
Lachte dieses verdammte Weibsbild ihn etwa aus?
«Und, haben Sie sich sattgesehen?», hörte er sie in der Dunkelheit fragen.
«Wer zum Teufel …?», stammelte Joel.
«Das begreifen Sie doch wohl selbst.»
Die Flamme loderte erneut auf, als sie die Öllampe wieder anzündete.
«Dragan Djelic», klärte sie ihn auf. «Inzwischen müssen Sie doch von dieser Geschichte gehört haben.»
Joel nickte stumm.
«Torsten wollte nicht, dass die Aale ihn auffressen. Er sagte, er wollte ihn begraben wie einen Wikinger.»
Angewidert schielte Joel in Richtung der Öffnung des Steinhaufens, die im flackernden Lichtschein nur noch zu erahnen war.
«Torsten?»
«Sie haben doch gehört, was ich gesagt habe, oder? Es war nicht Mårten, den der Graf in diesem Ruderboot gesehen hat. Es war Torsten.»
«Also war er es, der ihn erschlagen hat …?»
«Genau. Torsten hat Dragan erschlagen. Der Groschen fällt bei Ihnen wohl pfennigweise, nicht wahr?»
Plötzlich erstarrte sie, als hätte sie ein Geräusch gehört. Joel horchte, konnte jedoch nichts anderes als die gewöhnlichen Geräusche einer Winternacht hören. In den Kronen der Kiefern säuselte ein schwacher Wind. Die Eule heulte erneut. Flügelschläge.
«Was war das?»
«Nichts.»
Sie schüttelte den Kopf, sodass ihre Ohrenklappen hin- und herschwangen. Dann nahm sie einen kleinen Gegenstand aus einer versteckten Tasche ihres Pelzmantels. Als er im Lichtschein aufblitzte, sah Joel, was es war. Eine Kautabaksdose aus gelbem Metall. Mit einer raschen Handbewegung ließ sie sie in dem Loch zwischen den Steinen verschwinden.
«Darauf steht Torstens Name», erklärte sie. «Ich habe sie ihm vor drei Jahren gestohlen. Er hat damals geglaubt, dass er sie verloren hätte. Aber er weiß nicht, wo.» Sie schnäuzte sich erneut. «Helfen Sie mir jetzt, das Ganze zu zerwühlen, sodass es aussieht, als wären die Wildschweine hier gewesen und hätten nach Engerlingen gesucht.»
«Aber wir können ihn doch nicht einfach hier liegen lassen.»
Joel starrte sie verständnislos an. Ihm schossen wirre Gedanken durch den Kopf. Was wollte ihm diese merkwürdige Frau eigentlich sagen?
«Wir müssen die Polizei rufen», sagte er.
«Nie im Leben!»
Ihre Augen glühten förmlich, sodass er eine Sekunde lang den Eindruck hatte, sie würde sich mit der Axt auf ihn stürzen, wenn er auch nur den geringsten Ansatz machte, nach seinem Handy zu greifen.
«Wenn Torsten erfährt, dass ich Sie hierhergeschleppt habe, bringt er mich um», flüsterte sie heiser. «Es spielt keine Rolle, ob sie ihn ins Gefängnis werfen. Eines Tages wird er hinter mir her sein. Lassen Sie es sich gesagt sein. Ich kenne diesen Kerl besser als irgendjemand anders.»
Hilflos schlug Joel mit den Armen zur Seite aus.
«Aber warum beordern Sie mich hierher, wenn Sie nicht …?»
«Mein Gott, was sind Sie doch schwer von Begriff, Junge!», unterbrach sie ihn. «Kapieren Sie denn nicht? Ich möchte nicht, dass Sie den Rest Ihres Lebens glauben, dass Ihr Vater ein Mörder war!»
Rakel setzte sich auf den Steinhaufen und seufzte resigniert. Aus einer ihrer Manteltaschen zauberte sie eine schrumpelige Zigarette hervor. Sie hob die Öllampe hoch und zündete sie damit an. Der Rauch, der sich aus ihren Nasenlöchern ringelte, roch süß und herb.
«Hören Sie! Torsten, Dragan und Ihr Vater waren mehrere Jahre lang Kompagnons. Sie haben gemeinsam Schnaps gebrannt. Und sind nach Polen gefahren. Natürlich um Wodka zu schmuggeln. Außerdem haben sie Amphetamine in einer Kokerei in Danzig gekauft, die sie irgendwie ausfindig gemacht haben. Weiß der Teufel, wie. Aber mit Drogen haben sie nur im kleinen Rahmen gedealt. Für den Fall, dass man sie festnehmen würde, wäre Handel im großen Stil
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