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Gottes Zorn (German Edition)

Gottes Zorn (German Edition)

Titel: Gottes Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olle Lönnaeus
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Phantastische Plätze! Die Greens sind wie Teppichboden. Spielst du Golf?»
    «Nein.»
    An der Wand oberhalb eines dunklen Jalousieschrankes hingen vier Ölgemälde in schwarzen Rahmen nebeneinander, jedes mit einem kleinen Messingschild versehen. Vier Generationen von Inhabern der Anwaltskanzlei Berelius waren abgebildet. Alle schienen mit fliehendem Kinn zur Welt gekommen zu sein. Dem ältesten Berelius, der längst verstorben war, war es einigermaßen gelungen, seine Kinnlosigkeit mit einem grau gesprenkelten Bart zu verbergen. Der zuletzt porträtierte Rechtsanwalt Birger B. Berelius hingegen hatte sich einen schmalen Oberlippenbart wachsen lassen, was die Erbanlage eher noch betonte.
    Urban Berelius war offenbar noch zu jung, um verewigt zu werden.
    «Mein Vater ist noch immer tätig», erklärte er. «Ich glaube sogar, dass er deinen Vater ein paarmal als Mandanten vertreten hat.»
    Joel wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. «Ach du Scheiße …», war das Angemessenste, was in seinem Kopf auftauchte.
    «Irgendwelche unbedeutenden Delikte, wenn ich mich recht erinnere», sagte Berelius und befingerte seinen Ehering. «Schmuggeleien oder so. Aber das ist inzwischen viele Jahre her.»
    «Möchtet ihr Kaffee?», fragte die Sekretärin und Ehefrau.
    «Danke gern, Ulrika», antwortete der Anwalt, ohne Joel zu fragen.
    Dann lehnte er sich in seinem Drehsessel zurück und faltete die Hände im Nacken.
    «Tja, Joel. Ziemlich lange her, dass wir Mathe und englische Vokabeln in der Kastanienschule gepaukt haben. Erinnerst du dich noch an Galten, den Keiler, unseren Sportlehrer? Dieser verdammte alte Despot! Ich glaube übrigens, er hat letztes Jahr den Löffel abgegeben.»
    Joel nickte und lachte gekünstelt.
    Was war das für eine merkwürdige Farce, die er hier inszenierte? Urban Berelius benahm sich, als wäre ein alter Freund zu Besuch gekommen. Wen versuchte er damit zu beeindrucken? Hatte er sich denn nie getraut, seiner Golf spielenden Frau zu erzählen, dass er früher einmal als Prügelknabe hatte herhalten müssen, auf dem die ganze Schule herumgehackt hatte, und sein Mandant sein schlimmster Plagegeist gewesen war?
    Wahrscheinlich taten ihm die Erinnerungen so weh, dass er sie verdrängt hatte.
    Joel war derjenige gewesen, der seinen Spitznamen erfunden hatte.
    Kackwurst-Urban.
    Den stinkenden Haufen auf dem Bürgersteig hatte die an ein Kalb erinnernde Deutsche Dogge des Werkunterrichtlehrers Sven Elofsson hinterlassen. Joel erblickte ihn eines Morgens auf dem Weg zur Schule. Ohne Vorwarnung war der Teufel in ihn gefahren. Er legte eine Vollbremsung hin und sprang von seinem Fahrrad, presste die Lippen aufeinander und hielt die Luft an, während er die noch warme Wurst in eine Plastiktüte beförderte. In der ersten Stunde steckte Urban Berelius die Hand in seinen Rucksack, um sein Rechenheft herauszuholen. Er schrie, als hätte ihn eine Ratte gebissen. Joels Triumph war unbeschreiblich. Dem kleinen verwöhnten Anwaltssohn, der immer alles besser wusste, strömten die Tränen über die Wangen. Das Klassenzimmer erbebte vor dröhnendem Hohngelächter, während er hilflos dasaß und auf seine verschmierte Hand schaute. Für eine Sekunde konnte Joel erneut sowohl den Jubel als auch den Ekel empfinden.
    Und die Scham danach, die dazu geführt hatte, dass er Urban Berelius noch mehr hasste.
    Warum hatte er es getan?
    Wahrscheinlich um die anderen zum Lachen zu bringen. Den Siegesrausch zu erleben. Um Britt zu imponieren. Oder war es, um seine Wut gegenüber Mårten an jemandem auszulassen, der sich nicht wehren konnte?
    Später in der Pause hatte er Urban im Schatten unter der großen Kastanie stehen und sich übergeben sehen.
    Vielleicht habe ich aber auch aus reiner, banaler Bosheit gehandelt, dachte Joel.
    Widerstrebend begegnete er dem Blick des Anwalts. Darin lag jetzt ein Anflug von Bitterkeit, der enthüllte, dass nicht nur Joel sich eben noch fünfundzwanzig Jahre in der Zeit zurückversetzt befunden hatte.
    Er weiß, dass ich es weiß, dachte Joel. Und ich weiß, dass er es weiß.
    Aber wir werden es nie jemals auch nur mit einem Wort erwähnen. Zu was sollte es auch nütze sein, alte Wunden aufzureißen? Um sich zu entschuldigen? Einen Versuch zu unternehmen, es zu erklären, um dann darüber lachen zu können und das Ganze zu bagatellisieren?
    Das Schweigen dauerte noch ein paar Sekunden an.
    «Ich bin gerade dabei, die Geschäfte meines Vaters zu übernehmen», sagte Berelius. «Bin nach dem

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