Gottes Zorn (German Edition)
lächeln. Beide hatten den kleinen Paprikastreifen von ihrem Brötchen entfernt und auf den Tellerrand gelegt. Fatima fiel auf, dass sie mit keinem von beiden bislang mehr als Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht hatte. Sie nahm ein Taschentuch zur Hand und schnäuzte sich.
«Bitte, Göran», ermunterte Bill Lundström ihn.
«Danke.» Salberg wischte sich umständlich mit einer Serviette den Mund ab. Seine Stimme schnarrte leicht. «Mein Fazit lautet, dass wir einen echten Durchbruch erzielt haben. Zuvor hat Osama Al-Din immer nur in Rätseln gesprochen. Aber heute hat er geradewegs gestanden. Das ist ein großer Fortschritt. Gewiss lehrt uns die Erfahrung, dass man Aussagen dieser Art mit Vorsicht genießen sollte. Damals haben immerhin über hundert Personen den Mord an Olof Palme gestanden. Aber alle stellten sich lediglich als geistig Verwirrte heraus. Hier hingegen haben wir es mit einer Person zu tun, die zwar fanatisch, aber zumindest im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist. Er hat in Telefonaten, die wir abgehört haben, damit gedroht, Mårten Lindgren zu töten. Also haben wir allen Grund, ihm zu glauben, wenn er sagt, dass er es getan hat.»
Für den Bruchteil einer Sekunde berührte Lisbeth Eriksson den Ärmel seines Jacketts mit den Fingerspitzen. Keiner von beiden trug einen Ehering, registrierte Fatima.
«Lisbeth?» Lundström blickte sie an.
«Ich stimme voll und ganz mit Göran überein», versicherte die Frau rasch. «Ich habe mich ja insbesondere mit dem befasst, was die Medien über den Mord berichtet haben. Sicher hat das meiste von dem, was Osama berichtet hat, in den Zeitungen gestanden. Er kann es also gelesen haben, bevor er gefasst und in Einzelhaft genommen wurde. Aber er hat nichts darüber lesen können, dass der Mörder die Worte ‹Gottes Zorn› mit roter Farbe an die Wand geschrieben hat. Er muss es also selbst getan haben.»
«Olof?»
«Wie ich schon sagte: ein Geständnis wie aus dem Bilderbuch.» Olof Larsson griff nach einem Käsebrötchen aus dem Korb und hielt es siegessicher in die Luft. «Osama Al-Din ist lebensgefährlich. Scheinheilig und falsch. Ich war mir die ganze Zeit sicher.»
«Und was sagen Sie, Fatima?»
Fünf Gesichter wandten sich ihr zu. Sie entschied sich dafür, ihren Blick auf Bill Lundström zu richten.
«Mit dem Letzten, was Olof gesagt hat, stimme ich absolut überein. Ich habe jedes Mal, wenn ich Osama vernahm, Lust verspürt, ihm eine reinzuhauen. Ist er ein Mörder? Ja, ich bin ziemlich überzeugt davon, dass er heute die Wahrheit gesprochen hat. Auch im Hinblick auf die Details, die genannt wurden. ‹Gottes Zorn› mit roter Farbe an die Wand gemalt. Aber darüber hinaus habe ich noch ein anderes Gefühl. Er brennt regelrecht. Er wird von seinem eigenen Feuer verzehrt. Für uns ist es zwar unbegreiflich, aber Osama glaubt wirklich, dass es einen Gott gibt, der will, dass er tötet.»
Als Letzter ergriff Per Gullbrandsson das Wort. Seiner Gewohnheit treu strich er sich zunächst sorgfältig die blonden Haare aus der Stirn und klemmte eine Strähne hinters Ohr. Fatimas anfängliches Unbehagen ihm gegenüber hatte sich nur verfestigt. Als er sie anschaute, blieben seine Augen grau und ausdruckslos.
«Zuerst möchte ich Fatima zu einer clever durchgeführten Vernehmung gratulieren.»
Falsche Schlange, dachte sie.
«Und dann möchte ich noch ein paar Dinge anmerken. Es ist wohl für alle offensichtlich, dass die Analyse, die wir anfänglich vorgenommen haben, richtig war. Mårten Lindgren wurde aus Rache für seine Zerrbilder des Propheten Mohammed von militanten Islamisten ums Leben gebracht. Osama Al-Din hat ihn erdrosselt. Also ein Einzelkämpfer. Aber können wir sicher sein, dass er nicht doch Mithelfer hatte, die er schützen will? Wohl kaum.»
Er öffnete eine Flasche Mineralwasser, goss sich ein und trank, bevor er weitersprach. Halbleer, dachte Fatima. Oder halbvoll.
«Und dann ist da noch die Drohung hinsichtlich der Öresundbrücke. Osamas Freunde in Kopenhagen haben Bill und Fatima schließlich gestern zu einer kleinen Spritztour über den Sund herausgefordert.»
Es zuckte kaum merklich in Gullbrandssons hellen Augenbrauen, aber es genügte, um dafür zu sorgen, dass sich Lundströms Gesicht wie eine Unwetterwolke verdunkelte. Er warf sein halb gegessenes Käsebrötchen auf den Teller vor sich.
«Wir müssen festhalten, dass die Drohung weiterhin besteht und Osamas Beteiligung an dieser Sache ungewiss ist», fuhr Gullbrandsson
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