Gottesdienst
Klar?«
»Absolut.«
»Und noch was, Evan …«
»Ja?«
Das Gemurmel hinter ihm wurde lauter, ein Jet hob ab. »Wie sieht sie aus?«
Was hatte ich erwartet? Er hatte sie lange Zeit geliebt. Ich seufzte. »Sie sieht aus wie wiedergeboren.«
4 Kapitel
Quietschbunte Banner flatterten an den Laternenmasten in der State Street und kündigten die Eröffnung des Buchfestivals an diesem Mittwoch an. Die Begeisterung der Einwohner von Santa Barbara hielt sich in Grenzen. Übermäßiger Enthusiasmus war nicht ihr Ding, sie kultivierten ihre gleichgültige Haltung mit derselben Hingabe wie die Japaner ihre Bonsais. Trotzdem erhoffte ich mir von dem Festival, dass es mich von meinen gegenwärtigen Sorgen ablenken würde – wie ein Glas Champagner für meine Seele. Im Beowulf-Buchladen sollte ich aus meinem Roman lesen und Bücher signieren. Bei etwas Applaus fühle ich mich wie eine Göttin. Ein Evan-Delaney-Minifestival – ich konnte es kaum erwarten.
Beowulf hatte nichts von der sterilen Atmosphäre der großen Buchladenketten. Die Belegschaft trug am liebsten Clogs und Barett, und die Verkaufstheke war übersät mit Flyern, die für Lichterkettendemos warben und sich für diverse bedrohte Minderheiten einsetzten. »Befreit Kaliforniens Frettchen«, zum Beispiel. Im Schaufenster fanden sich eine Menge Science-Fiction-Titel und daneben das Schild: »Die Autoren sind anwesend«.
Drinnen schmückte mein Roman Lithium Sunset einen ganzen Verkaufstisch. Ich bewunderte die Auslage. Der Buchumschlag zeigte das entschlossene Gesicht der Hauptprotagonistin, eine zerstörte Landschaft und darüber meinen Namen. Ich atmete tief durch und fühlte mich berühmt. Am hinteren Ende des Ladens lag die Kaffeetheke, wo es zum Showdown zwischen den Frettchen und Priscilla Gaul gekommen war. Eine ältere Frau näherte sich. Es war Anita Krebs, die Betreiberin.
»Die Sicherheitsfirma wollte Kameras installieren, um dem Dieb auf die Schliche zu kommen. Wie im Überwachungsstaat. Völlig unnötig, Pip und Oliver haben der Missetäterin auf die Finger geklopft – im wahrsten Sinne des Wortes«, erzählte sie. »Wie geht’s dir, mein Mädchen?«
Anita hatte ihren Ruf als Nonkonformistin mit hitzigem Temperament weg. Über ihrem wettergegerbten Gesicht trug sie ihr weißes Haar ganz kurz und war mit Türkisschmuck behängt, den sie mit purpurrotem Lippenstift kontrastierte. Sie nahm mich am Arm und führte mich in die Ecke, wo ein paar Stühle für die Lesung aufgebaut waren.
»Ich hab mich letzte Nacht noch mal in deinen Roman vertieft. Er ist wirklich hervorragend. Deine Idee fasziniert mich total. Dass die Tyrannei ihre Gegner dazu zwingt, taktischen Einfallsreichtum und ästhetische Strenge an den Tag zu legen.«
Das hörte sich etwas aufgeblasen an, aber ich war froh, dass sie mehr im Plot entdeckt hatte als die Geschichte einer Kämpferin, die glubschäugige Mutanten vernichtete.
»Und die erotische Anziehungskraft der männlichen Hauptfigur – ich muss schon sagen, der hat mich ganz schön angemacht.« Sie deutete auf die Stühle. »Viel Glück. Ich hoffe, du verkaufst viele Bücher.«
Ich war aufgedreht und bereit für die Lesung. Nachdem sie mich vorgestellt hatte, begann ich die Szene zu lesen, in der sich Heldin und Held treffen. Sie befinden sich in einer heruntergekommenen Kneipe, sie ist eine desillusionierte Guerillakämpferin, er ein Mitglied des Widerstands. Sie erteilt ihm eine Abfuhr. Er erleidet schwere Verletzungen, als er ihr das Leben rettet. Sexuelle Spannungen und Mord sorgten in dieser Szene für einiges Tempo, und ich gab alles.
Dem Publikum gefiel es. Bücherwürmer, Science-Fiction-Fans und meine Nachbarn versammelten sich anschließend um den Tisch, an dem ich mein Buch signierte. Ich gab mich charmant und geistreich. Dass dann noch weitere Käufer auftauchten, wirkte Wunder für mein Selbstbewusstsein. Ich hatte das Gefühl, durch den Nachmittag zu schweben.
Der Höhepunkt des Tages war für mich der Auftritt von Nikki. Sie trug ein gelbgrünes Umstandskleid – wie eine auffällige Tarnkleidung für ihren Schmerz -, zückte eine Kamera und begann Fotos zu machen. »Oh Gott, Sie sind es wirklich! Evan Delaney. Ich möchte ein Kind von Ihnen. Nach diesem, meine ich natürlich – das gehört schon Stephen King.«
Ich fühlte mich cool.
Als sie gegangen war, bildete sich eine richtige Schlange. Eine junge Frau in Tarnshorts, Tanktop und einem Gänseblümchen im Haar – Laura Croft meets Joan Baez -,
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