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Gottesdienst

Titel: Gottesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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Tisch, und ihr Lächeln wirkte ziemlich aufgesetzt. »Ich möchte Sie jetzt bitten -«
    »Mit Ihnen rede ich doch gar nicht.«
    »Wir sind dran, Anita«, warf ich ein. »Die Bibelpolizei ist uns auf der Spur.«
    Chenille schlug mit dem Handrücken auf den Buchumschlag. »Die Story ist doch reine Erfindung. Es gibt nur ein Buch, in dem die Wahrheit steht, und das ist die Bibel. Das -«, sie riss mein Buch in die Höhe, »sind doch alles Lügen.«
    Ich legte meinen Stift hin. »Wussten Sie eigentlich, dass Sie nicht ganz richtig im Kopf sind?«
    »Machen Sie sich nicht über mich lustig.«
    »Dann sagen Sie mir mal, wie pessimistisch ich denn sein muss? Hab ich überhaupt noch Zeit, eine Pizza zu bestellen, bevor das Flugzeug abhebt?«
    »Das ist egal. Sie sind sowieso nicht dabei.«
    »Aber ich habe schon einen Fensterplatz gebucht.«
    Sie starrte mich an. »Luke sollte von Ihrer Gesellschaft verschont bleiben.«
    Beim Aufspringen warf ich den Stuhl um. »Raus!«
    Sie drehte sich auf den Absätzen ihrer babyblauen Cowboystiefel um und rauschte mit herrischem Gesichtsausdruck nach draußen. Ich blieb ihr auf den Fersen.
    Sie redete mit mir, ohne mich anzusehen. »Er ist ein besonderer kleiner Engel. Sehr viel kostbarer, als Sie es jemals verstehen könnten. Glauben Sie vielleicht, wir werden ihn vom Drachen verschlingen lassen?«
    »Wir? Es gibt hier kein wir. Sie haben nichts mit meiner Familie zu tun.«
    Jetzt blickte sie mich endlich an, taxierte mich wie eine bemitleidenswerte Schwachsinnige. Schließlich begann sie »Glory, Glory, Halleluja« zu summen und ging weg.
    Für ein paar Sekunden stand ich mitten auf dem breiten Gehsteig, Einkäufer und Touristen drängten sich an mir vorbei. Voller Wut stapfte ich wieder in den Laden zurück. Als ich an der Ausstellungsfläche mit meinen Büchern vorbeikam, holte ich aus und räumte den ganzen Tisch mit einem Schlag ab.
    Anita kam auf mich zu, die Fäuste in die Hüften gestemmt. »Du kannst mir später erklären, warum du das getan hast. Aber würdest du jetzt bitte weitermachen und den Leuten, die geduldig aufs Ende deiner Show gewartet haben, die Bücher signieren?«
    Ich schaute mich um. Alle starrten mich an.
    Die Frau mit dem Sonnenbrand nickte mir zu. »Süße, ich bin begeistert. Ich nehm gleich zwei.«
    »Vergessen Sie das Schreiben«, sagte der Mann hinter ihr. »Fangen Sie an, Ihr Leben auf Video aufzunehmen. Das schlägt den toten Wal um Längen.«
    Bis ich alles hinter mich gebracht, mich entschuldigt, die Wogen geglättet und meinen rasch entstandenen Ruf als menschliche Zeitbombe bekämpft hatte, kam ich zu spät zu Lukes Schulschluss. Ich parkte gegenüber dem Schulhof. Schon auf dem Fußweg konnte ich den musikalischen Singsang der Kinderstimmen vernehmen. Am Straßenübergang musste ich warten und versuchte Luke durch den Maschendrahtzaun zu erspähen. Er wusste, dass er auf dem Schulhof warten sollte, bis ich ihn abholte. Der Anblick von Kindern auf dem Klettergerüst brachte Erinnerungen zurück an die Zeit der aufgeschürften Knie und schwieligen Hände und das Hochgefühl, sechs Jahre alt zu sein. Ich gab mir große Mühe, nicht so wütend auszusehen, wie ich mich fühlte.
    Ich wusste immer noch nicht, ob Chenille in den Buchladen gekommen war, um schon mal eine Vorauswahl für die Bücherverbrennung zu treffen oder nur um mich zu belästigen. Ich konnte ihre Stimme hören, ihre gestelzte Wortwahl, als sie über Luke sprach und ihre Andeutungen machte. In meinem Kopf begann es wieder zu dröhnen. Mit Ihnen bin ich noch lange nicht fertig, Fräulein.
    Ein Wagen stoppte, um mich über die Straße zu lassen, ein grüner Dodge-Pickup mit übergroßen Reifen. Das Fahrzeug hatten den polierten Urban-Redneck-Look, aber vier Personen und ein Hund hatten sich in die Kabine geklemmt, ganz wie bei John Steinbecks Früchte des Zorns. Als ich das Auto passiert hatte, fuhr es mit einem muskulösem Grunzen wieder an.
    Auf der Ladefläche saß ein mondgesichtiges Mädchen mit einem Pferdeschwanz und einem zusammengekniffenen Mund. Sie beobachtete den Schulhof. Ich erstarrte. Es war tatsächlich Shiloh, die designierte Denunziantin der Standhaften. Und sie war nicht die Einzige, die den Schulhof beobachtete. Alle im Auto taten das.
    Langsam passierte der Pickup den Zaun. Ich rannte ihm hinterher.
    Für ein paar Sekunden konnte ich aufschließen, bevor der Motor aufheulte und der Wagen davonschoss. Ich blinzelte nur und versuchte mir vor Augen zu führen, was ich

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