Gottesdienst
die Zeit für gekommen halten. Sie werden voller Freude abdrücken.«
Auf einmal holte sie tief Luft und fing an zu weinen. Nach einer Minute rieb sie sich mit dem Handrücken über die Augen. »Mama müsste jetzt bei uns sein und ihren Senf dazugeben. Gott bringt manchmal aber auch wirklich die Kacke zum Dampfen.«
Wir umrundeten eine Landspitze. Zu unserer völligen Verblüffung lag vor uns im Sand, umgeben von Strandgutsammlern, Bauarbeitern und einem Fernsehteam und umschwirrt von bellenden Hunden der gestrandete Wal wie ein knorpeliger grauer Pudding in einem Haufen Seetang.
Als sich der Wind drehte, traf uns der beißende Gestank wie ein Faustschlag. Sofort ging Nikki in die Knie und übergab sich. Nachdem sie sich wieder aufgerichtet hatte, sagte sie: »Die Apokalypse ist über Santa Barbara gekommen. Live um Fünf, hier auf CNN.«
Um 15 Uhr holte ich Luke von der Schule ab und spazierte mit ihm nach Hause. Dort setzten wir uns mit einem Snack auf den Rasen. Behutsam erzählte ich ihm von den Neuigkeiten.
»Ich muss dir was Wichtiges sagen. Deine Mutter ist wieder zurück nach Santa Barbara gezogen.«
Er setzte seinen Saft ab und schaute mich mit großen Augen an.
»Sie wohnt jetzt im alten Haus deiner Großmutter in den Bergen.«
Er erstarrte zur Salzsäule, als ob er ein großes gefährliches Tier in den Büschen gehört hätte. »Wird Dad auch dorthin ziehen?«
»Nein, er geht trotzdem nach China Lake. Sie werden nicht wieder zusammen sein.«
Luke starrte vor sich hin, und ich massierte ihm sanft die Schultern, um ihn abzulenken. Langsam öffnete sich sein Mund. »Aber sie erlaubt mir nicht, Teddy mitzubringen. Ich kann dort nicht hin.«
»Was?«
Der Saftkarton fiel ihm aus der Hand. Er begann seine Finger zu verkneten. »Sie mag meinen Bär nicht, weil Papas Abzeichen draufgenäht ist. Der Totenkopf macht sie wütend.«
Es stimmte, Tabitha hasste das Abzeichen von Brians Geschwader, einen Totenkopf mit roten Augen und einem Dolch zwischen den Zähnen. Aber ich verstand nicht, was Luke damit sagen wollte. Sein Hals und seine Schultern waren stocksteif, seine Finger in stetiger Bewegung. In seinem Kopf arbeitete es. Was meinte er nur?
»Sie will nicht, dass Teddy kommt, und ich kann ihn nicht alleine hierlassen. Bitte mach, dass ich nicht zu ihr gehen muss.«
»Oh nein, Luke. Nein, mein Schatz!« Endlich hatte ich kapiert und nahm ihn in die Arme. »Du musst nicht in ihr Haus. Du bleibst bei mir, bis ich dich zu deinem Dad bringe.«
Evan, du Dummkopf. Ich hielt ihn fest, spürte, wie seine Finger sich immer noch bewegten. Ich hätte mich ohrfeigen können.
»Versprochen?«, fragte er.
»Hoch und heilig.«
Aber er konnte es immer noch nicht glauben, und ich musste mein Versprechen noch mehrmals wiederholen. Als ich kurze Zeit später aus dem Fenster blickte, sah ich, wie er sich mit einer Handvoll Lego-Astronauten und einem Krocket-Schläger auf den Weg zu den Blumenbeeten machte.
Ich rief noch einmal bei meinem Bruder an. Endlich erreichte ich ihn. Förmlich meldete er sich am Telefon.
»Hi, Brüderchen«, erwiderte ich.
Er lachte, als er mich erkannte. »Hey, Ev, ist mein kleiner Mann bereit für den Umzug nach China Lake?«
Er begann mir sein neues Haus zu beschreiben, Lukes Kinderzimmer, die Schule, und erzählte mir, wie stark der Ort gewachsen war. Als Kinder hatten wir schon einmal in China Lake gelebt, als unser Vater in der Waffenentwicklung dort an der Marinebasis stationiert gewesen war.
»Es ist jetzt richtig kosmopolitisch hier«, sagte er. »Es gibt sogar Ampeln. Ich nehme an, du kannst es gar nicht erwarten zurückzukommen.«
Wie gerne hätte ich ihm nichts davon erzählt. Aber in manchen Dingen bin ich unheilbar geradeheraus: bei Drinks, beim Sex und bei schlechten Nachrichten.
»Brian – Tabitha ist wieder in Santa Barbara. Ich bin ihr begegnet, und sie hat gesagt, dass sie Luke zurückwill.«
Stille am anderen Ende der Leitung. »Keine Chance. Weiter.« Wieder eine Pause. »Was noch? Du bist nervös, das merke ich. Da ist doch was im Busch.«
»Sie ist religiös geworden, und das auf schlimmste Art und Weise.«
Fünf Sekunden Schweigen. »Scheiße, verdammte.«
Im Hintergrund konnte ich Männerstimmen und das Aufheulen von Flugzeugdüsen hören. »Wir müssen später darüber reden. Ich habe jetzt eine Einsatzbesprechung«, sagte er. »Pass auf: Sie wird ihn nicht sehen, sie wird nicht mit ihm sprechen, und sie wird ihn nicht berühren.
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