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Gottesdienst

Titel: Gottesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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du?«
    »Ich glaub, dort ist ein Feuer.«
    Ich musste ihm Recht geben. Schnell stellte ich das Radio an. Der Sender spielte den üblichen Rock, also schien die Katastrophe noch nicht über uns hereingebrochen zu sein. Aber natürlich war gerade Hochsaison für Waldbrände – die Zeit im Jahr, in der man auf der ganzen Welt Fernsehberichte über Filmstars bestaunen kann, die ihre Gartenschläuche auf endlos breite Flammenwände richten, um ihre Anwesen in Malibu zu retten. In dieser Zeit war alles möglich, und es konnte im Handumdrehen passieren.
    Für die Bewohner Kaliforniens ist Feuer der große Todfeind, das Monster im Dunkeln, die absolute Tragödie. Aber Feuer ist auch ein großer, ja lebenswichtiger Bestandteil des Ökosystems. Es trägt zum Neuaufbau und zur Reinigung bei. Manche Pflanzen brauchen sogar die Hitze des Feuers zum Keimen. Die Tragödie liegt vielmehr in der Brandbekämpfung: Seit hundert Jahren werden Brände im Frühstadium erstickt, deshalb türmen sich überall abgefallenes Laub und Äste. Wenn das unvermeidliche Feuer schließlich ausbricht, hat es so viel Nahrung, dass es sich unweigerlich zum Großbrand entwickelt. Und wenn dann dein Haus oder deine Stadt davon betroffen sind, musst du eben etwas dagegen tun.
    Minuten später konnten wir es besser sehen. In den Bergen hinter Capinteria erstreckte sich eine breite Rauchsäule in den Himmel, die auf den von Gebüsch überwucherten Hängen ihren Anfang nahm.
    Luke zeigte darauf. »Ich kann das Feuer sehen.«
    Kurz konnte man etwas Orangerotes in dem braunen Wirbel aufflammen sehen, dann war es wieder weg.
    Der Verkehr begann zähflüssiger zu werden. Noch lag das an den Schaulustigen, aber falls der Wind das Feuer in unsere Richtung trieb, konnte die Highway Patrol die Straße sperren, und dann gab es richtige Probleme. Der Freeway 101 ist die Hauptstraße nach Santa Barbara. Die Stadt liegt eingezwängt zwischen den Bergen und dem Ozean und ist von solchen Straßensperrungen empfindlich betroffen. Vor mehreren Jahren führte ein Giftgasleck zur Schließung der 101, was den Verkehr nach Los Angeles für mehrere Wochen zum Erliegen brachte. Jetzt kam ich in einem Meer von Bremslichtern zum Stehen.
    »Ich wette, sie schicken die Flugzeuge«, sagte Luke.
    Die Forstverwaltung der Vereinigten Staaten hatte einen Luftstützpunkt am Flughafen von Santa Barbara, und wenn es einen Großbrand gab, stiegen von dort die großen Löschflugzeuge auf. In diesem Sommer hatten wir sie gesehen: DC-7, C-130, P-3, die die Feuer in Montana und Arizona löschen sollten. Beim Start waren sie so schwer, dass sie taumelnd von der Startbahn abhoben, mit dröhnenden Kolbenmotoren immer ganz knapp an den Gebäuden unter ihnen vorbei. Die Flugzeuge wirkten wie heroische alte Kampfmaschinen.
    Luke drehte sich im Sitz, um einen besseren Blick auf die Rauchsäule zu ergattern. »Schau mal, da ist die Nummer 23.«
    Er zeigte auf den hellen Fleck mit Nase und Heck in leuchtendem Orange, eine Maschine, die so tief flog, dass man sie vor der Bergkette kaum erkennen konnte. Sie steuerte auf das Feuer zu. Kurz bevor sie von der Rauchwolke verschluckt wurde, öffnete sie die Abwurfschächte und ließ roten Schlick aus ihrem Bauch auf die Flammen regnen. Sekunden später tauchte die Maschine aus dem Rauch wieder auf, begann aus den gefährlichen Turbulenzen über dem Feuer aufzusteigen und drehte eine Kurve in Richtung Küste. Sie kam genau auf uns zu, wurde immer größer und lauter und donnerte schließlich nur wenige hundert Meter über unsere Köpfe hinweg. Ihre Motoren dröhnten so laut, dass wir es bis in unsere Knochen spüren konnten.
    »Toll«, meinte Luke.
    »Aber wirklich.«
    Über dem Meer drehte die Maschine in Richtung Flughafen zum Auftanken ab.
    »Was passiert eigentlich, wenn sie durchs Feuer fliegen?«, fragte er.
    »Diese Flieger können einiges aushalten. Die schaffen das.«
    »Sie könnten die Maschine ja mit diesem roten Zeug anstreichen, dann würde sie nicht brennen.« Er beobachtete, wie die Maschine an der Küstenlinie verschwand. »Sollen wir ein Gebet für sie aufsagen?«
    Überrascht schaute ich ihn an. »Wenn du willst.«
    »Sollen wir auch ein Gebet für die anderen Feuerpiloten sprechen?«
    Seine Ernsthaftigkeit war entwaffnend. »Willst du für alle Piloten beten?«
    Er nickte und schloss die Augen. Ich war nicht in der Stimmung, mit ihm zu beten, ich war zu wütend.

13. Kapitel
    Als wir schließlich am Butterfly Beach ankamen, nahm Jesse Luke mit

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