Gottesdienst
Interesse an Luke«, sagte er.
»Hoffen wir’s.«
Ich merkte, dass er selbst nicht daran glaubte. Die Müdigkeit stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er hatte mich nur ermutigen wollen, das merkte ich jetzt. Zärtlich legte ich meine Hand auf die seine.
»Tut mir leid, dass Glory so grob zu dir war.«
»Niemand ist so bekehrungssüchtig wie eine ehemalige Hure. Nur eine kleine Kruzifix-Gehirnwäsche, schon wird es Ihnen besser gehen!« Er lachte humorlos. »Als ob ihr Leben gerade so rosig wäre.«
»Du bist schon ziemlich hart im Nehmen, weißt du das?«
»Das liegt an meinem Heidenherz. Es besteht aus purem Fels.«
Ich beugte mich zu ihm und küsste ihn.
»Aber das nächste Mal fang bitte keine Diskussion mit jemand an, aus dem ich Informationen herausholen will.«
»Hast du noch nie was von guter Bulle, böser Bulle gehört?«
Offenbar kehrte seine gute Laune allmählich zurück. »Und hast du schon mal was von Öl aufs Feuer gießen gehört?«, fragte ich. »Du bist noch nie einem Streit aus dem Weg gegangen.«
Ich stand vom Tisch auf. Die Wellen hatten sich in große Brecher verwandelt, die donnernd an den Strand schlugen. Ich hörte den Anrufbeantworter ab. Sally Shimada hatte wieder angerufen.
Obwohl es schon fast elf Uhr am Ende eines langen Werktags war, klang ihre Schönheitsköniginnen-Stimme immer noch beschwingt.
»Evan – prima. Ich hab mich schon gefragt, ob ich jemals von Ihnen hören würde.« Im Hintergrund lief offenbar der Fernseher: Sabrina -Total verhext oder vielleicht Animaniacs. Ich zwang meinen Kopf, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. »Ich möchte mit Ihnen über die Verhaftung Ihres Bruders sprechen.«
Ich seufzte. »Aber nur unter uns. Ich spreche nur über die Hintergründe.«
Ich erzählte ihr von dem Versuch der Standhaften, Luke in der Nähe von China Lake zu entführen, und wie Brian sich bemühte, seinen Sohn zu beschützen; ich sprach über seine Unschuld, seinen hervorragenden Charakter, seinen Patriotismus. Es fehlte nicht mehr viel, und ich hätte die Nationalhymne dazu gesummt. Jesse hielt ich den Rücken zugewandt, sein Gesicht wollte ich jetzt lieber nicht sehen.
»Mir liegen Informationen vor, dass es sich um ein Verbrechen aus Leidenschaft handelt, dass die Ex Ihres Bruders in Peter Wyoming verliebt war.«
»Wer hat Ihnen denn das erzählt? Warten Sie – Sie haben mit McCracken gesprochen!«
Sally war wohl doch nicht so naiv, wie ich gedacht hatte. Hätte ich ihr doch nur früher von meiner Sicht der Ereignisse erzählt. Ich begann in Jesses Wohnzimmer auf- und abzutigern, er saß am Tisch und beobachtete mich.
Rasch wechselte ich das Gesprächsthema. »Ich habe Sie heute auf Wyomings Beerdigung gesehen. Hat mich sehr beeindruckt, wie Sie erkannt haben, dass Chenille die Bibelzitate aus dem Zusammenhang gerissen hat.«
»Glauben Sie denn, ein gutes buddhistisches Mädchen kann sich kein eigenes Exemplar des Neuen Testaments besorgen? Ja, sie hat da auf jeden Fall einiges verdreht, damit es ihr ins Konzept passt. Sie können es ja selbst nachschlagen. Nachdem Ihr Name so irisch klingt, müssten Sie doch auch irgendwo eine Bibel rumliegen haben.«
In Jesses Haus? Höchstens um ein zu kurzes Tischbein auszugleichen. Aber deshalb hatte ich ja die Gideon-Bibel aus dem Hotel in China Lake mitgebracht.
»Im elften Kapitel der Offenbarung ist die Rede davon, dass in den Zeiten der großen Bedrängnis ein paar wenige gläubige Christen von der Zerstörung verschont bleiben. Die Rede ist auch von zwei Zeugen, die Gottes Wahrheiten aussprechen. Meiner Auffassung nach handelt es sich hierbei um symbolische Zeugen, es könnten Moses und Elias sein oder die frühchristlichen Märtyrer -«
»Ich verstehe, was Sie meinen. Chenille hat das wörtlich genommen.«
»Und die Auferstehung der Zeugen -«
»Repräsentiert den Triumph der Kirche, aber das hat sie auch wörtlich genommen.«
»Vielleicht sollte ich mich mit einem Fotografen auf dem Friedhof auf die Lauer legen«, sagte sie. »Dann könnte ich Pastor Petes Wiedergeburt dokumentieren. Und hätte den Pulitzer-Preis schon so gut wie in der Tasche.«
Mein Blick fiel auf Kapitel 12. Die Frau und der Drache. Chenille hatte von einem Drachen gesprochen, als sie bei der Signierstunde die Konfrontation mit mir gesucht hatte. Sie sagte, sie würden Luke nicht vom Drachen verschlingen lassen...
»Sally, sehen Sie sich mal Kapitel zwölf an.«
»Einen Moment.« Ich konnte hören, wie sie blätterte. »Und es
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