Gottesdienst
zerstören.«
»Das ist mir klar. Aber ich will rausfinden, was sie weiß. Also halt dich zurück.«
Glory kam auf das Auto zugelaufen, die Hände in den Hosentaschen. Jesse starrte mich aufgebracht an. »Bitte«, appellierte ich an seine Vernunft. Ob es überhaupt eine gute Idee gewesen war, ihn mitzunehmen? Er war wütend auf die Standhaften, und ich war immer noch sauer auf ihn. Doch schließlich nickte er. Ich stieg aus.
Hinter Glory schlugen die Wellen auf die Felsen, das Mondlicht spiegelte sich milchig in den Gezeitentümpeln. »Ich kann nicht glauben, dass ich das hier tue«, sagte sie.
»Die Dinge geraten außer Kontrolle, und das weißt du auch.«
»Ja. Demonstrieren ist eine Sache, aber diese Läden zu demolieren … das ist was anderes.«
»Das heute war erst der Anfang. Was soll denn noch alles passieren?«
Sie gab keine Antwort. Jesse war immer noch mit Aussteigen beschäftigt. Sie starrte ihn unverhohlen an, als er den Klapprollstuhl von der Rückbank zog.
Schließlich sagte sie: »Seit Chenille das Kommando hat, ist alles anders. Und damit meine ich keineswegs, dass sie eine weibliche Note in die Kirche einbringt und alles etwas sanfter wird. Sie haben keine Ahnung, wie sie wirklich ist.«
Jesse rollte näher. »Eine Hure mit einem Herz aus Gold?«
Ich tätschelte ihm die Schulter, damit er etwas vom Gas ging.
»Sie sollten sich nicht über Chenille lustig machen«, sagte Glory. »Sie ist ziemlich hart drauf. Viel härter als Pastor Pete. Und sie handelt aus vollster Überzeugung. Sie hat die Zukunft gesehen, wissen Sie? Sie hat Visionen.«
»Was hat sie gesehen?«
»Das Kriegsrecht.«
Jesse schnaubte.
»Ja, das hat sie. Die Leute in Washington sind doch nur Marionetten in der Hand des Teufels«, fuhr Glory fort. »Die Regierung wird das Kriegsrecht verhängen und das Land in
einen Polizeistaat verwandeln.«
An Jesses Gesichtsausdruck konnte ich ablesen, was er dachte: das gleiche Geschwätz wie bei den Rechtsextremen. Er hatte noch nicht verstanden, dass sie es ernst meinte.
»Wer denn in Washington?«, fragte er.
»Die Huren und Schwulen im Kongress. Die Seuchenärzte im Gesundheitsministerium, die uns vergiften wollen. Das Pentagon, das mit den Vereinten Nationen zusammenarbeitet, um uns zu versklaven.«
»Das klingt ja unglaublich präzise«, warf Jesse ein.
»Chenille sagt, dass das Pentagon Brian Delaney befohlen hat, Pastor Pete zu ermorden. Das gehört zum Plan, den Antichrist an die Macht zu bringen.«
»Glory, hört sich das für dich wirklich glaubhaft an?«
Sie glotzte mich an, als ob ich einen flammenden Kometen über meinem Kopf ignorieren würde. »Offenbarung, Kapitel 11, Vers 7. Da steht, dass die Bestie die Zeugen umbringen wird, und jetzt ist Pastor Pete tot! Es ist passiert.«
»Post hoc, ergo propter hoc«, murmelte Jesse.
Sie verzog das Gesicht »Was soll das heißen?«
»Egal«, sagte ich. »Brian hat es nicht getan, Glory.«
»Für Sie ist das natürlich schwer zu verstehen. Das liegt daran, dass Sie Opfer der Großen Täuschung geworden sind, genau wie Ihr Bruder. Das Pentagon hat ihn vermutlich angelogen. Vielleicht haben sie ihn einer Gehirnwäsche unterzogen und ihm dann gesagt, Pastor Pete sei ein Sicherheitsrisiko oder ein feindlicher Agent. Verstehen Sie?«
»Ich verstehe.« Es war, als ob man mit einem Stein diskutieren wollte. »Erzähl uns von dieser Verschwörung, das Kriegsrecht einzuführen.«
»Die Regierung zieht ihre Kräfte zusammen, um die Menschheit der Bestie zu unterjochen. Es wird schlimm werden. Und das schon bald.«
»Wie bald?«, fragte Jesse.
»Nicht mehr lange. Die Regierung wird in der Nacht des Teufels angreifen.«
Er wusste offenbar nicht, wovon sie redete.
»Halloween«, erklärte ich. Das war schon in zehn Tagen. Überrascht sank er zurück in seinen Rollstuhl.
Glory nickte. »Halloween ist die Türschwelle zum Bösen. Jedes Jahr töten Satanisten kleine Kinder mit vergifteten Süßigkeiten, schlachten Haustiere und vergewaltigen Jungfrauen.«
HELL-o-ween. »Das ist nur dummes Geschwätz, das stimmt doch nicht.«
»Hören Sie mir mal zu«, rief sie. »In dieser Nacht ist die Trennwand zwischen den Welten besonders dünn, deshalb hat der Satan besonders große Macht in unserer Dimension. Und darum wird die Regierung in dieser Nacht angreifen.«
Jesse gab sich keine Mühe seinen Unglauben zu verbergen. Ich fragte: »Und was werden die Standhaften dann unternehmen?«
Glory wand sich. »Das macht mir Angst. Bei
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