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Gottesdienst

Titel: Gottesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet …«
    »Und sie war schwanger und schrie in Kindsnöten und hatte große Qual bei der Geburt.«
    »Es erschien ein anderes Zeichen am Himmel, und siehe, ein großer, roter Drache, der hatte sieben Häupter und zehn Hörner …«
    »Das muss der Teufel sein, oder nicht?«
    »Ja.« Sie las weiter »Und der Drache trat vor die Frau, die gebären sollte, damit er, wenn sie geboren hätte, ihr Kind fräße.«
    Mein Kopf begann wieder zu hämmern. Da stand noch mehr, und ich las jetzt unisono mit Sally. »Und sie gebar einen Sohn, einen Knaben, der alle Völker weiden sollte mit eisernem Stabe.«
    Mit eisernem Stabe. Ich erinnerte mich, ich konnte Pastor Petes leuchtende Augen und seine geballte Faust vor mir sehen, als er diese Worte ausgesprochen hatte. Welche perverse Mischung aus wortwörtlich aufgefassten Bibelzitaten und Irrsinn hatte Chenille dazu bewogen, diese Passage auf Luke zu beziehen? Sah sie ihn in der Rolle eines Messias, war er der Auserwählte?
    »Ergibt das für Sie einen Sinn?«, fragte Sally.
    »Ich weiß nicht.«
    Sie sagte nichts, sicher in der Hoffnung, dass ich die Stille überbrücken würde, aber ich schwieg. Nach einer Minute sagte sie: »Na gut. Wollen Sie noch was über Dr. Neil Jorgensen hören?«
    »Aber sicher.«
    »Sie werden nicht glauben, was ich rausgefunden habe.«
    »Was denn?«
    »Woran er gestorben ist.«
    »Sally -«
    Und dann erzählte sie es mir. Ich hielt den Hörer vom Ohr weg und starrte ihn an, als ob er mich gebissen hätte. Jesse breitete die Hände aus und gestikulierte: Was?
    »Würden Sie das bitte noch mal wiederholen?«, bat ich Sally.
    »Neil Jorgensen starb an Tollwut.«
     
    Sally konnte gar nicht aufhören zu erzählen. Den ursprünglichen Artikel über Jorgensens Tod mochte sie verpatzt haben, aber nun hatte sie sich an dem Thema festgebissen. Sie hatte den Leichenbeschauer wegen Jorgensens Autopsie interviewt und mit dem Pathologielabor gesprochen, das die Diagnose gestellt hatte.
    »Natürlich wurde er aufgrund seiner anderen Verletzungen im Krankenhaus nicht auf Tollwut untersucht. Tollwut verursacht akute Gehirnentzündung, aber Jorgensens Kopfverletzungen haben das überdeckt. Dazu kommt, dass die Krankheit in den USA ziemlich selten ist.«
    Es war mir ein Rätsel, wo Jorgensen sich die Krankheit geholt haben konnte. »Man infiziert sich mit Tollwut, wenn man von einem Tier gebissen wurde, oder?«
    »In der Regel schon. Aber sie kann auch übertragen werden, wenn infektiöses Material in Kontakt mit dem Mund oder einer Wunde kommt.«
    »Infektiöses Material, wie etwa -«
    »Speichel.«
    »Wie steht es mit Blut oder Tierexkrementen?«
    »Nein. Der Virus wird vom Speichel übertragen und breitet sich dann über die Nervenbahnen und das Rückenmark ins Gehirn aus. Man steckt sich nicht an, wenn man ein erkranktes Tier streichelt oder in Kontakt mit dessen Blut, Urin oder Kot gerät.«
    »Aber wenn Jorgensen von einem tollwütigen Tier gebissen wurde, warum hat er sich nicht sofort behandeln lassen? Er war schließlich Arzt.«
    »Keine Ahnung«, sagte sie. »Der Leichenbeschauer ist auch überfragt.«
    »Könnte er bei seiner Tätigkeit in der Praxis mit dem Virus in Kontakt gekommen sein?«
    »Theoretisch schon …«
    Ich hörte Papier rascheln. Sally schien in ihren Interviewoder Rechercheaufzeichnungen zu stöbern.
    »Eine Ansteckung, die nicht von einem Biss herrührt, kann nur durch direkten Kontakt mit dem Virus oder mit infiziertem Gewebe aus dem Gehirn erfolgen. Laut der mir vorliegenden Daten ist diese Möglichkeit außer bei Labormedizinern sehr unwahrscheinlich. Und schließlich war Jorgensen plastischer Chirurg und kein Pathologe.«
    »Was für Daten sind das?«
    »Sie stammen aus dem CDC, dem Seuchenkontrollzentrum in Atlanta. Dahin hat der Leichenbeschauer Jorgensens Gewebeproben zur Analyse und zur Bestätigung der Diagnose geschickt.«
    Ah, diese bösartigen Seuchenärzte, die laut Chenille nur darauf warteten, uns alle zu vergiften. Sally fuhr fort. »Die Leute, die Kontakt mit Jorgensen hatten, müssen sich jetzt einer PEP unterziehen.«
    Sie hatte sich wirklich in die Materie eingearbeitet. »Was ist denn eine PEP?«, fragte ich.
    »Postexpositionelle Prophylaxe. Die Ärzte in der Notaufnahme, die Labortechniker, die Rettungssanitäter, alle, die mit Jorgensen in Berührung kamen, müssen sich eine Tollwut-Schutzimpfung geben lassen.«
    Mir lief es kalt den Rücken

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