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Gottesdienst

Titel: Gottesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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verängstigt, halb erleichtert. Die Impfung würde in fünf Dosen im Zeitraum von vier Wochen erfolgen und in die Armbeuge verabreicht werden, nicht wie früher in den Bauch. Ich nickte weiter, ich wollte es hinter mich bringen. Sie betonte, dass es sich nur um eine Vorsichtsmaßnahme handelte, damit wir auf der sicheren Seite waren. Mein Kopf wippte auf und ab wie ein Gummiball. Ich erzählte ihr, dass Curt Smollek und Isaiah Paxton unter Umständen ebenfalls angesteckt worden waren. Dann fragte ich sie, ob Tollwut womöglich doch verbreiteter war, als ich gedacht hatte, und erwähnte den Coyotenangriff auf Abbie Hankins in China Lake.
    Sie runzelte die Stirn. »Sie befanden sich zweimal in nächster Nähe von bestätigten Tollwutfällen, und das im Zeitraum von einer Woche?«
    »Ja, und dabei lagen zweihundert Meilen dazwischen.«
    Die Falte auf ihrer Stirn wurde noch tiefer.
    »Dr. Abbott?«
    Sie trommelte mit dem Bleistift auf ihren Notizblock. »Ich möchte jetzt keine Spekulationen anstellen.«
    Doch, tun Sie das ruhig! »Bitte …«
    »Man hat eine signifikante Verbreitung der Krankheit unter den Wildtieren in Kalifornien registriert. Und das ist sehr ungewöhnlich. Entweder handelt es sich um eine statistische Anomalie oder um erste Anzeichen für den bevorstehenden Ausbruch einer Epidemie.«
     
    Dr. Abbott schickte mich für die erste Spritze in die Notaufnahme des St. Francis Medical Center. Ich war wie betäubt. Während ich auf die Injektion wartete, drängten sich mir unangenehme Gedanken auf: an Seuchen, Keime und zufällige Zusammentreffen. Und das alles hatte ich Dr. Jorgensen zu verdanken.
    St. Francis verließ ich mit einem Pflaster am Arm. Ich beschloss, noch einmal bei dem Ärztehaus in der Micheltorena Street vorbeizuschauen, in dem Jorgensen und Mel Kalajian ihre gemeinsame Praxis hatten. In früheren Zeiten war der Parkplatz ohne Zweifel noch überfüllt gewesen mit glänzenden Nobelkarossen, darunter Jorgensens jeweils neuester Porsche. Jetzt stand der Parkplatz leer. Aber die Tür zur Praxis öffnete sich, als ich den Türknauf drehte. Niemand war zu sehen. »Hallo?«
    Aus den hinteren Räumen ertönte eine Stimme. »Ich bin hier.«
    Kurz darauf kam eine stämmige Frau in einem grünen Anzug und mit randloser Brille, die ihre Haare im Dutt trug, um die Ecke. Als sie mich sah, blieb sie stehen.
    »Oh – ich hatte Dr. Marsden erwartet. Gehören Sie zu seiner Praxisgemeinschaft, Ms. -«
    »Delaney. Nein, ich gehöre nicht dazu. Ich … ich kannte Dr. Jorgensen.«
    Sie ließ die Akten sinken, die sie in der Hand gehalten hatte. »Eigentlich ist die Praxis gar nicht geöffnet.« Ich blickte mich im Wartezimmer um: beruhigender grauer Teppichboden, an den Wänden Gorman-Drucke mit Navajo-Indianern und auf dem Couchtisch Stapel von Ausgaben des Fortune -Magazins. Am Empfang standen verwelkende Blumengestecke mit angehängten Beileidskarten.
    Sie setzte ein Lächeln auf. »Entschuldigen Sie, ich warte hier nur auf einen Chirurgen, der die Praxis übernehmen will.« Sie streckte mir ihre Hand entgegen »Esther Olson, ich bin die Praxisleiterin.«
    Ich wusste noch nicht, wie ich das Gespräch, das ich führen wollte, in Gang bringen sollte, aber Esther Olson schien nach Reden zumute zu sein. »Besteht die Möglichkeit, dass der neue Arzt auch das Personal übernimmt?«, fragte ich.
    »Wer weiß das schon?« Ihr Lächeln versiegte.
    »Arbeiteten Sie schon lange für Dr. Jorgensen?«
    »Dreizehn Jahre. Ich war hier schon vor der Zeit, als Dr. Kalajian in die Praxis einstieg. Wer hätte gedacht, dass beide …« Sie schloss die Augen und rieb sich die Stirn. »Als Dr. Kalajian von uns ging, dachten wir nicht, dass wir die Praxis am Laufen halten könnten. Dr. Jorgensen war nur noch ein Wrack, und viele Patienten wollten nicht mehr in eine Praxis kommen, in der ein Mensch … in der jemand verstorben war. Aber wir haben uns zusammengerissen, und Dr. Jorgensen hat sich so bemüht …«
    Ich hatte vergessen, dass Mel Kalajian in diesem Gebäude umgebracht worden war. Jetzt erinnerte ich mich, dass er einen Einbrecher auf frischer Tat ertappt hatte. Olsons Blick wanderte ins Leere, wahrscheinlich sah sie die Praxis in glücklicheren Zeiten vor sich, als Neil Jorgensen noch bei den Reichen von Santa Barbara das Messer ansetzte und Fett absaugte. An seinen guten Tagen war er der Paganini der Augenlidkorrektur, an seinen schlechten Tagen … Mich schauderte bei der Vorstellung, dass er, wie Olson es nannte,

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