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Gottesdienst

Titel: Gottesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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als Wrack Patienten operierte.
    Sie war wieder im Hier und Jetzt gelandet. »Kannten Sie auch Dr. Kalajian?«, fragte sie.
    »Nein«, antwortete ich. »Das muss ein schreckliches Jahr für Sie gewesen sein.«
    Sie zog ihre randlose Brille ab und polierte die Gläser mit einem Taschentuch. »Ja. Seit dieser Nacht im Juli … als ich den furchtbaren Anruf von Dr. Jorgensen erhielt, als er mir mitteilte, dass Dr. Kalajian … dass er nicht mehr lebte.«
    »Dr. Jorgensen hat die Leiche gefunden?«
    Das war wohl eine Frage zu viel. Sie setzte die Brille wieder auf und nahm mich genauer in Augenschein.
    »Entschuldigen Sie, woher, sagten Sie, kannten Sie Dr. Jorgensen?«
    »Ich habe seine Bekanntschaft aus beruflichen Gründen gemacht.«
    »Sie sind Ärztin?«
    »Nein.«
    Ich musste einfach lernen, besser zu lügen. Esther Olson war kein Dummkopf. Sie mochte Neil Jorgensen vergöttert haben, aber sie wusste auch, dass Patienten nach dem ersten Blick in den Spiegel oft genug einen Anwalt einschalteten.
    »Sind Sie Anwältin?«, fragte sie. Sie taxierte meine Jeans und mein T-Shirt. »Gerichtsdienerin?« Sie trat einen Schritt zurück, als ob sie damit verhindern könnte, dass ich ihr eine Vorladung überreichte, die ich womöglich in meinem BH versteckt hatte.
    »Ich bin Rechtsanwältin. Aber ich bin nicht hier wegen einer Klage, Ms. Olson.«
    »Der Mann ist tot, um Himmels willen. Können Sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen?«
    »Ich habe den Rettungsdienst für ihn gerufen in der Nacht, als er überfahren wurde.«
    »Oh …« Sie hatte schon zur Tür gezeigt und war kurz davor, mich rauszuwerfen. Aber jetzt legte sie die Finger an die Lippen. »Sie sind die Zeugin. Wir haben uns schon gefragt, ob wir Sie je zu Gesicht kriegen würden.« Ihre Lippen begannen zu beben. Sie berührte sanft meinen Arm. »Danke.«
    Sie deutete auf eine Couch. »Tut mir leid, bitte setzen Sie sich. Ich wollte unbedingt mit Ihnen sprechen. Sie sind einer der letzten Menschen, der mit Dr. Jorgensen gesprochen hat. Wissen Sie, er ist nie wieder aus dem Koma aufgewacht, aber Sie waren vorher bei ihm. Vielleicht können Sie mir erklären, was passiert ist und mir helfen zu verstehen, was ihn in diese Kirche getrieben hat. Ich muss … das für mich verarbeiten und abschließen können.«
    Der traurige Ausdruck in ihren Augen berührte mich. Ich wollte ihr nicht sagen, dass Jorgensen sein Leben mit obszönen Flüchen auf den Lippen ausgehaucht hatte. Stattdessen beschrieb ich ihr, wie er den Gottesdienst unterbrochen hatte. »Er war ziemlich aufgebracht.«
    »Sie waren dort? In der Kirche? Ich dachte – die Sanitäter haben gesagt -« Sie trat ein paar Zentimeter zurück. »Sind Sie ein Mitglied der Standhaften?«
    »Nein. Nicht um alles in der Welt.«
    Ich sprach weiter, und sie rückte wieder näher. »Das sind ganz bösartige Menschen«, sagte sie. »Sie haben auf Dr. Kalajians Beerdigung demonstriert.«
    »Ms. Olson, das hört sich jetzt seltsam an, aber ich werde es trotzdem sagen. Ich glaube, dass die Standhaften auf irgendeine Art verantwortlich sind für Dr. Jorgensens Tod.« Sie starrte mich ungläubig an. »Ich weiß, das klingt verrückt.«
    »Nein, Sie haben recht. Ich kann selbst noch nicht genau sagen, warum, aber Sie haben recht.«
    Sie bat mich noch einmal, die letzten Minuten im Leben des Arztes zu beschreiben. Ich gab mir Mühe, seine Verwirrung und seine blinde Wut zu schildern. Sie schüttelte den Kopf.
    »Das muss an der Krankheit gelegen haben. Das war überhaupt nicht seine Art.«
    Ich hatte ihn natürlich als jemand kennengelernt, der äußerst virtuos mit Schimpfworten um sich werfen konnte, aber ich war bereit, ihr zu glauben. »Können Sie sich vorstellen, wie er sich angesteckt haben könnte?«, fragte ich.
    »Keine Ahnung. Ich versteh das alles nicht.« Sie schnaubte. »Und jetzt müssen so viele Leute den Impfstoff nehmen … warten Sie’s ab, als Nächstes werden die auch noch seine Hinterbliebenen deswegen verklagen.«
    Ich wollte nicht mit einem Tritt in den Hintern aus der Tür befördert werden, deshalb verzichtete ich darauf, ihr zu sagen, dass ich eine dieser Personen war. Stattdessen wechselte ich das Thema. »Der Mörder von Dr. Kalajian, wurde er je gefasst?«
    »Nein.«
    »So wie ich es verstanden habe, hat Dr. Kalajian einen Einbrecher überrascht, der auf der Suche nach Drogen war.«
    »Das glaubt die Polizei. Aber …« Sie verzog den Mund.
    Anscheinend überlegte sie, wie offen sie mir gegenüber sein

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