Gottesfluch: Thriller (German Edition)
vergoldete Truhe, in der die beiden Steintafeln mit den Zehn Geboten aufbewahrt wurden. In dieser Truhe haben die Juden irgendetwas herumgetragen, etwas, das für ihre Religion von entscheidender Wichtigkeit gewesen ist.«
Sie warf einen Blick auf ihre Uhr und stand auf. »Wir müssen los, wenn wir Yosef pünktlich treffen wollen.« Sie machte eine Pause. »Hör zu, Chris, wir erwähnen ihm gegenüber die Tontafeln nicht, und schon gar nicht die Zehn Gebote. Am besten überlässt du das Reden einfach mir.«
56
Ihr neues Hotel lag in der Nähe des Namal Tel Aviv, des Hafens am nördlichen Ende der Stadt, inmitten eines Einbahnstraßen-Labyrinths, doch dicht an der Rokach Avenue. Bronson hoffte, dass sie über diese Ausfallstraße Tel Aviv schnell verlassen konnten, falls es nötig sein sollte. Angela hatte das Treffen mit Yosef Ben Halevi in einer Bar an der Jabotinsky vereinbart, ein Boulevard in der Nähe der Ha’Azma’ut-Gärten und des Hilton Beach.
Es war eigentlich nur ein kurzer Spaziergang in der relativ kühlen Abendluft, aber Bronson wählte einen längeren, schöneren Weg, um sicher zu sein, dass sie niemand verfolgte. Statt direkt über die Hayark oder die Ben Yehuda zu flanieren, folgten sie der Havakook-Promenade vorbei am Sheraton Beach und gingen dann direkt durch das Hotel Hilton.
In der Stadt pulsierte das Leben; elegant gekleidete Paare schlenderten auf der Promenade am dunkelblauen Wasser des Mittelmeeres entlang. Am westlichen Horizont versank die Sonne in glühenden Rot-, Blau- und Gelbtönen, die von der Palette eines chaotischen Malers zu stammen schienen. Doch sobald sie in das Gewirr aus schmalen Gassen östlich der Ha’Azma’ut-Gärten eingetaucht waren, die oft die Namen großer Weltstädte wie Basel, Frankfurt und Prag trugen, veränderte sich die Szenerie. Statt Hotels sah man viele vier- oder fünfstöckige, preiswerte Apartmenthäuser, deren weiße Wände mit Klimaanlagen gespickt waren. Im Erdgeschoss gab es meistens Bars und Geschäfte, vor denen fremdartige, exotische Schilder in hebräischer Sprache prangten. Jeder verfügbare Parkplatz schien besetzt zu sein, sehr zur Frustration der Fahrer, die sich mit ihren Autos langsam durch die Fußgängermassen schoben, während sie einen Platz zum Halten suchten.
»Da ist es«, sagte Bronson und führte Angela über die Straße zu der Bar. Er sah sich um, bemerkte jedoch niemanden, der sich auch nur im Geringsten für sie interessierte.
Aus irgendeinem Grund hatte Bronson erwartet, Yosef Ben Halevi wäre ein ehrfurchtgebietender alter Professor, ein bisschen gebeugt, grauhaarig und weit über sechzig. Doch der Mann, der aufstand, um sie zu begrüßen, als sie die kleine, ruhige Bar betraten, war alles andere als das. Er war etwa dreißig Jahre alt, groß, schlank und gut aussehend und wirkte mit seinem dichten, lockigen schwarzen Haar fast wie eine Gestalt aus den Werken von Byron.
»Angela.« Er lächelte und zeigte perfekte Zähne, die sich blendend weiß von seinem gebräunten Gesicht abhoben.
Bronson entwickelte schlagartig eine Abneigung gegen den Mann.
»Hallo, Yosef«, erwiderte Angela und hielt ihm die Wangen zum Kuss hin. »Das hier ist Chris Bronson, mein ehemaliger Mann. Chris, ich möchte dir Yosef Ben Halevi vorstellen.«
Nachdem sie sich gesetzt hatten, wandte sich Ben Halevi an Angela. »Sie waren am Telefon ja sehr geheimnisvoll«, sagte er. »Also, was machen Sie hier, und wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Es ist ein bisschen kompliziert …«, begann Angela.
»Ist es das nicht immer?«, unterbrach Ben Halevi sie mit einem weiteren strahlenden Lächeln.
»Wir machen hier eigentlich Urlaub, aber ich wurde gebeten, einige Aspekte der jüdischen Geschichte des ersten Jahrhunderts zu untersuchen, wegen verschiedener Inschriften, die in London aufgetaucht sind.«
»Also eine Art Arbeitsurlaub?« Ben Halevi streifte Bronson mit einem kurzen Seitenblick.
»Genau. Ich untersuche insbesondere Ereignisse, die in der Nähe von Qumran stattgefunden haben, und zwar Ende des ersten Jahrhunderts nach Christus.«
Yosef Ben Halevi nickte. »Die Essener und die Sicarii, nehme ich an? Wahrscheinlich unter Einbeziehung der römischen Legionen und der Kaiser Nero, Vespasian und Titus?«
Der Mann kannte sich offensichtlich in seinem Fachgebiet aus, und Bronson war froh, dass Angela einen so ruhigen Ort für das Treffen ausgesucht hatte. In der Bar gab es nur eine Handvoll Menschen, sodass sie an ihrem Ecktisch
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