Gottesgericht
wohnten.
Mehrere Tassen Tee später, als sich Jane sicher war, dass Debbie ihre Angst überwinden würde, brachte sie Scott und Bethann in ihre Haushälfte hinüber und schaltete den Fernseher für sie ein. Dann rief sie einen Architekten an, der mit Ben zusammengearbeitet hatte, und bat ihn, in Erfahrung zu bringen, wem Cullenswood House gehörte. Er rief nach wenigen Minuten zurück und teilte ihr mit, dass es gegenwärtig nicht bewohnt war und zum Verkauf stand. Es war genau am Vorabend des Platzens der irischen Immobilienblase von einem Konsortium erworben worden, das es in ein Hotel mit Golfplatz verwandeln wollte. Das Projekt musste aufgegeben werden, da sich die Investoren weit mehr Geld geliehen hatten, als sie jemals zurückzahlen konnten. Und der Getreidespeicher war seines Wissens weder zu kaufen noch zu mieten, weil er vor Jahren durch Vandalismus beschädigt und nie repariert worden war.
Als Jane das hörte, war ihr klar, dass es keinen Sinn hatte, der Polizei etwas von dem Vorfall zu erzählen. Der Mann auf der Treppe hätte jeder sein können. Selbst wenn KOSS die Sache eingefädelt hatte, wie sie vermutete, musste er nicht dazugehören. Die Kinder konnten ihn nicht beschreiben, sie wussten nur, dass er schwarz gekleidet war. Debbie war sich ziemlich sicher, dass er eine Daunenjacke und eine Wollmütze getragen hatte. Das Auto, das sie gesehen hatte, war eine silberne Limousine gewesen. Wer immer der Mann war, er war zu diesem Zeitpunkt längst vom Schauplatz verschwunden.
Der offenkundigste Hinweis auf die Beteiligung von KOSS bestand darin, dass »Lavinia« einen Tag, nachdem Jane den Aufenthaltsort des Schiffs mit der Belisarius Brigade in ihrer Sendung bekannt gegeben hatte, aufgetaucht war. Aber wie hatten sie wissen können, dass Debbie auf diese Weise zu erreichen war? Sie mussten sie ohne Frage irgendwie auf elektronischem Weg ausgespäht haben. Wahrscheinlich von einem in der Nähe geparkten Wagen. Ein Sicherheitsexperte, den sie einmal in ihrer Sendung interviewt hatte, hatte erklärt, wie leicht so etwas zu bewerkstelligen war.
Ihre Botschaft war klar – komm uns nicht in die Quere, sonst büßen das nächste Mal deine Kinder dafür. Die Tatsache, dass die beiden von Debbie diesmal ebenfalls mit im Spiel waren, machte die Drohung aus Sicht von KOSS nur umso wirksamer, weil es den Druck auf Jane erhöhte.
Das bewahrheitete sich eine halbe Stunde später, als es an der Haustür läutete und Debbies Mann Karl davorstand. Die Tatsache, dass er nicht durch die Verbindungstür gekommen war, zeigte an, dass es sich um einen offiziellen Besuch handelte.
Die Kinder waren im Wohnzimmer, deshalb führte sie ihn in die Küche. Der Anbau ließ ihr nicht viele Wahlmöglichkeiten. Sie bot ihm Tee oder Kaffee an, aber er lehnte ab. Er weigerte sich auch, Platz zu nehmen, sondern blieb lieber unbeholfen stehen. Schmal und gelehrtenhaft in seinem Äußeren, mit schütterem Haar und Brille, wirkte er ein wenig furchtsam, was er gelegentlich durch großspuriges Auftreten wettmachte.
»Ich muss dir sagen, Jane, ich bin sehr beunruhigt wegen dieser Sache, die heute passiert ist.«
»Natürlich. Ich auch. Deshalb …«
Karl hatte den Zeigefinger gehoben – er wollte nicht unterbrochen werden.
Jane war ebenfalls stehen geblieben, und jetzt verschränkte sie unbewusst die Arme – eine instinktive Reaktion auf die aggressiven Signale, die er aussandte.
»Debbie sagt, diese sogenannte ›Lavinia‹ hat im Namen der Leute gehandelt, die für Bens Tod verantwortlich sind«, sagte er. »Natürlich finde ich es furchtbar, dass sie nicht aufhören, dich und deine Familie zu schikanieren. Aber heute haben sie meine Familie zu Tode geängstigt, und weiß der Himmel, was passiert wäre, wenn du nicht eingegriffen hättest. Dafür bin ich dankbar, aber ehrlich gesagt – und ich werde nicht lange um den heißen Brei herumreden –, wir müssen etwas unternehmen.«
Jane hatte ein flüchtiges Bild von Karl im Kampfanzug vor Augen, mit einer AK -47 über einer Schulter und einem Patronengurt über der anderen, aber sie ahnte, es war nicht das, was er meinte.
»Woran hast du gedacht, Karl?«
»Nun … ich dachte … du weißt schon …« Er nahm die Brille ab und schüttelte missbilligend den Kopf. »Was ich nicht verstehe, ist, wieso du sie in deiner Sendung am Montag vorsätzlich provoziert hast …«
Sie wollte widersprechen, aber Karls Zeigefinger ging wieder nach oben.
»Das war auf jeden Fall
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