Gottesgericht
moralisch Überlegene, Dr. Kelsey. Zum einen hatten Sie kein Problem damit, die Handschrift aus der Bibliothek zu entwenden. Und Sie hätten nichts gegen mein Handeln einzuwenden gehabt, wenn Sie geglaubt hätten, es sei von der Bibel abgesegnet. Oder sollte ich lieber sagen, von Reverend Harpers Version der Bibel.«
»Das Manuskript zu stehlen war gegen meine Prinzipien. Ich habe mich nur dazu bereit erklärt, weil Reverend Harper großer Hoffnung war, es werde uns eine genaue Vorhersage liefern. Aber ich kann keine Wunder bewirken. Es gibt kein verborgenes Datum.«
»Auch wir müssen manchmal Dinge tun, die gegen unsere Prinzipien sind, nicht wahr, Eden?«, sagte Hakan und grinste höhnisch.
Eden beschloss, ihm nicht zu antworten.
»Ich habe keine Ahnung, worin Ihre Prinzipien bestehen, Hakan«, sagte Dr. Kelsey, da sie den Sarkasmus in seiner Stimme bemerkte. »Tatsächlich bin ich mir nicht sicher, ob ich weiß, wofür Sie und Ihre Leute überhaupt stehen.«
»Für dasselbe wie Sie – wir wollen, dass die Welt mit einem großen Knall endet.«
»Machen Sie meinen Glauben nicht lächerlich, Hakan. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass Sie Ihren mangelnden Respekt dafür zum Ausdruck gebracht haben. Ich habe von Anfang an bezweifelt, dass unsere Anschauungen viel mit den Ihren gemeinsam haben, und ich werde meine Meinung darüber Reverend Harper mitteilen.«
»Nur zu«, sagte Hakan.
Dr. Kelsey machte auf dem Absatz kehrt und stapfte aus dem Raum.
Eden wollte ihr nach draußen folgen, aber Hakan rief sie zurück.
Sie blieb stehen und drehte sich um. »Ja?«
Er sah sie durchdringend an. »Du bist gekommen, um mich zu sprechen … weswegen?«
»Ich habe mich nur gefragt, ob du vielleicht schon mehr über meine … Mission weißt.«
Hakan sah zu der Tür, durch die Dr. Kelsey eben gegangen war. »Hast du es nicht erraten?«, sagte er und sah Eden verächtlich an.
Eden war vollkommen bestürzt. »Ich verstehe nicht …«, sagte sie und schüttelte den Kopf.
»Es ist ihr nicht gelungen, das Datum zu finden. Und sie weiß zu viel. Und so verlockend es sein mag, sich ihrer auf hoher See zu entledigen, es muss an Land geschehen. Sonst könnte Reverend Harper Verdacht schöpfen. Und von Dr. Kelsey abgesehen brauchen wir seine Leute noch auf unserer Seite.«
41
Als Jane mit ihren Einkäufen fertig war und beim Haus eintraf, war Debbie bereits fort, um Bethann aus der Krippe und die anderen drei Kinder von der Schule abzuholen.
Diesmal waren es nicht Schuldgefühle gewesen, die sie auf der Heimfahrt quälten, sondern Bedauern darüber, dass sie so viele Erlebnisse mit ihren Kindern nicht teilte. Und dann gab es ihr einen Stich vor Eifersucht, weil Debbie so oft mit ihnen zusammen war. Es war eine verstörende Gefühlsregung, die sie abzuschütteln versuchte, als sie sich in ihr breitzumachen drohte. Und das ging am besten, stellte sie beim Auspacken der Lebensmittel fest, indem sie daran dachte, wie glücklich sie sich schätzen konnte, eine so gute Freundin zu haben.
Nachdem die Einkäufe weggeräumt waren, trug sie den Blumenstrauß, den sie gekauft hatte, ins Haupthaus hinüber und sah sich nach dem besten Platz dafür um. In der Küche fand sie eine frisch gespülte Glasvase auf der Ablauffläche und beschloss, sie zu verwenden. Sie füllte sie mit Wasser, lockerte die Blumen darin und ließ sie auf dem Ablauf stehen. Sie irgendwo anders aufzustellen würde aussehen, als wollte sie auf ihr Geschenk aufmerksam machen.
Beim Verlassen der Küche fiel ihr eine ausgedruckte Karte auf der Arbeitsfläche auf, die Debbie offenbar studiert hatte – sie hatte etwas hineingeschrieben. Ihr Auto besaß zwar ein Navi, aber offensichtlich hatte sie erst einmal sehen wollen, wohin es ging. Neben der Karte lag ein Notizblock. Jane sah den Abdruck von Debbies Handschrift auf dem obersten Blatt. Sie hatte die Karte nicht mitgenommen, weil sie die Informationen, die sie brauchte, notiert hatte.
Jane schaute auf die Karte und sah einige vertraute Namen – Straßen, die nicht weit von ihrem eigentlichen Zuhause in den Dubliner Bergen entfernt waren. Weiter im Süden jedoch, näher an der Grenze zum County Wicklow, hatte Debbie neben dem Wort »Cullenswood« ein Kreuz auf die Karte gezeichnet.
Und das ließ eine Alarmglocke in Janes Kopf schrillen. Die Party musste in Cullenswood House stattfinden. Es hatte früher Becca de Lacy gehört, und sie hatte den Sektenführer Michael Roberts dort beherbergt. Jane
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