Gottesgericht
unverantwortlich …« Er setzte seine Brille wieder auf. »Vor allem, da du unter einem fremden Dach wohnst«, platzte es endlich aus ihm heraus.
»Aha. Ich verstehe. Hör zu – ich hatte nicht die Absicht, jemanden in Gefahr zu bringen. Ich habe erst nach der Sendung erfahren, dass KOSS die Hände im Spiel hat.«
»Es ist nicht nur das. Neulich abends war dieser riesige Türke bei uns. Er hat Debbie ziemlich erschreckt. So kann das nicht weitergehen.«
Jane konnte nicht sagen, ob Karl mehr durch Orhuns Körpergröße verärgert war oder durch die Tatsache, dass er Türke war. »Himmel, Karl, du bist ja wirklich in Fahrt. Können wir nicht einfach …«
»Wann ist dein Haus fertig?«, unterbrach er.
Jane war bestürzt. Er warf sie praktisch hinaus. Ihr Adrenalinspiegel schoss in die Höhe, und ihr Herz raste. Sie musste dem Drang widerstehen, ihn anzuschreien, während sie gleichzeitig Tränen unterdrückte, die ihr in die Augen stiegen. Stattdessen stürmte sie an ihm vorbei in den Flur und riss die Haustür auf. »Du kannst auf demselben Weg wieder gehen, auf dem du gekommen bist, Karl«, rief sie ihm zu. »Und mach die Tür hinter dir zu.«
Sobald sie die Kinder zu Bett gebracht hatte, duschte Jane ausgiebig und cremte sich anschließend mit ihrer Lieblingsbodylotion auf Mangobasis ein. Sie wusste, es war Wein im Haus, und in stressigen Zeiten hätte sie sich normalerweise die Erlaubnis gegeben zuzulangen. Aber sie hielt es für wichtig, einen klaren Kopf zu behalten, damit sie mit der neu entstandenen Situation fertigwurde. Und nach dem schrecklichen Morgen hatte sie ohnehin beschlossen, dem Alkohol abzuschwören.
In ein bequemes Badetuch gehüllt sah sie sich eine Soap im Fernsehen an, schaltete aber aus, als die Nachrichten kamen. In ihrem Leben herrschte schon genug Spannung. Sie legte sich erschöpft auf der Couch zurück. Sie musste klären, wie Bethann am nächsten Morgen in die Krippe und Scott in die Schule kommen sollte, war aber nicht in der Stimmung, mit Debbie zu sprechen. Sie überlegte sogar, ob sie die beiden nicht besser zu Hause lassen sollte.
Dann läutete ihr Telefon. Es hätte auf stumm geschaltet sein sollen, aber sie hatte vergessen, es umzustellen.
Es war Demir Orhun, zurück aus der Türkei. Er war der letzte Mensch, mit dem sie im Augenblick sprechen wollte. Widerstrebend nahm sie das Gespräch an und sagte: »Ich bin im Augenblick wirklich nicht in der Verfassung, mit Ihnen zu reden, Demir. Vielleicht morgen, okay?«
»Oh. Ich verstehe. Was ist los? Liegt es an mir?«
»Nein, es liegt nicht an Ihnen«, sagte sie und seufzte müde, »obwohl Sie mich neulich weiß Gott geärgert haben.« Sie fand es seltsam tröstend, ihre Gefühle ihm gegenüber zum Ausdruck bringen zu können.
»Ich weiß. Und ich entschuldige mich aufrichtig. Ich hätte mehr Respekt zeigen sollen.«
»Ja, das hätten Sie. Ich hätte mich mit meinen Informationen nicht an Sie gewandt, wenn ich sie nicht einer ernsthaften Überlegung für wert befunden hätte.«
»Können wir das Thema damit abschließen?«
»Ich denke ja, aber wie gesagt, ich bin nicht in der Stimmung zum Plaudern. Es war ein harter Tag.« Jane fühlte sich verpflichtet, ihm zu erzählen, was am Nachmittag passiert war.
Als sie fertig war, sagte Orhun: »Es tut mir wirklich leid, dass die Kinder diese beängstigende Erfahrung machen mussten, und ehrlich gesagt fühle ich mich dafür verantwortlich. Wenn ich Ihnen nicht erzählt hätte, was KOSS im Sueskanal treibt, hätten Sie es nicht gesendet und so die Aufmerksamkeit auf sich gezogen.«
»Es ist nicht Ihre Schuld. Ich bin diejenige, die ihre eigenen Kinder in Gefahr gebracht hat. Und die Kinder meiner Freundin dazu.«
»Mir war nicht klar gewesen, wie rachsüchtig diese Sekte sein kann«, sagte Orhun. »Sie hatten auch darin recht. Falls also etwas passieren sollte … wenn Sie wieder bedroht werden, können Sie mich Tag und Nacht anrufen.«
»Natürlich. Warum haben Sie überhaupt angerufen?«, fügte sie müde an.
»Ich hatte Ihnen etwas mitzuteilen, aber es kann warten. Können wir uns morgen treffen?«
»Ich … ich weiß nicht, Demir. Ich kann im Augenblick nicht klar denken.«
»Ich überlasse es Ihnen. Selbe Zeit, selber Ort, wenn es Ihnen passt. Und diesmal werde ich zuhören.«
Jane sagte, sie würde ihm Bescheid geben.
Es war Zeit für sie, zu Bett zu gehen. Sie schälte sich von der Couch und ging im Zimmer umher, Spielzeug aufsammeln, das über den Boden und die
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