Gottesgericht
hatte die Sendung erst drei Monate lang präsentiert und war sich ihrer Sache noch nicht so sicher. Vielleicht hinterließ jemand anderer ja einen besseren Eindruck.
»Kein Grund zur Besorgnis. Der nimmt dir den Job so schnell nicht weg.«
»Puh. Hoffentlich bist du auch ehrlich zu mir.« Nach kurzem Schweigen sagte Jane. »Irgendwas Neues über die Geiselsache in Istanbul?«
»Ich wusste nicht einmal, dass es eine gibt.«
Jane sah auf die Uhr. Es ging auf 18.00 Uhr zu.
»Was dagegen, wenn wir Nachrichten hören?«
»Nein, gern.« Debbie schaltete das Radio ein, das auf TalkNation eingestellt war.
Die Besetzung der Hagia Sophia kam an dritter Stelle der Nachrichten: »Die bewaffnete Gruppe, die das Museum Hagia Sophia in Istanbul besetzt hält, hat angekündigt, sich morgen zu identifizieren und eine Liste von Forderungen zu veröffentlichen. Dies teilte eine Fremdenführerin mit, die gestern Abend zusammen mit bis zu zwanzig Besuchern als Geisel genommen wurde.«
Der Nachrichtensprecher stellte den Journalisten Paddy Wright vor, der aus Istanbul berichtete. »Dem merkwürdig formulierten Statement zufolge, das eine nervöse Geisel im türkischen Landesradio TRT vorlas, würde die Gruppe bis morgen Mittag warten, um ihre Ziele und ihre Identität zu erklären. Das, so hieß es, geschehe aus Respekt dafür, dass der Sonntag ein Tag des Gebets für Christen sei. Sie fügten jedoch an, ab morgen gebe es keine Gnade mehr für die Geiseln, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt würden. Mittlerweile wurde bekannt, dass es sich bei den Gefangenen um eine Gruppe internationaler Reiseveranstalter handelt, die sich auf einer vom türkischen Kultur- und Tourismusamt organisierten Werbetour befand. Die türkische Regierung hat wiederholt, die terroristische Tat werde keinen Einfluss auf den für Donnerstag in Dublin geplanten Beitritt zur EU haben.«
»Keine Gnade? Himmel, ich möchte nicht in der Haut der Geiseln stecken«, sagte Debbie.
Jane grübelte vor sich hin. »Das war kein Zufall«, sagte sie schließlich.
»Was war kein Zufall?«
»Tut mir leid, ich habe mit mir selbst geredet. Es ist kein Zufall, dass die Geiseln alle aus verschiedenen Ländern kommen. Die Bande hat sie absichtlich so kurz wie möglich vor dem großen Tag der Türkei gefangen genommen. Sie wollen die ganze Welt auf sich aufmerksam machen.«
»Bist du hungrig?«, wechselte Debbie abrupt das Thema.
Jane ging sofort darauf ein. »Kochst du?« Sie wusste, sie konnte sich darauf verlassen, dass ihre Freundin eine Mahlzeit vorbereitet hatte.
»Schon fertig. Gefüllte Auberginen. Okay?« Sie blinzelte Jane zu.
»Ähh, igitt«, meldete sich Scott vom Rücksitz. »Ich hasse Ober… Ober… diese Dinger.«
Debbie sah in den Rückspiegel. »Keine Angst, Scott. Es gibt Würstchen-Eintopf für euch alle.«
»Jaaa!«, krähten Scott und Bethann.
Als sie in Rathgar, einem der älteren Vororte Dublins, eintrafen, kamen Karl und seine beiden Kinder heraus, um sie zu begrüßen. Sie wechselten ein paar Worte, dann trug Jane ihr Gepäck um das Haus herum zu ihrem eigenen Eingang, begleitet von Joshua, Karen und ihren eigenen beiden Kindern. Dort öffnete sie den Reißverschluss ihres Koffers, in den sie einige kleine Geschenke gepackt hatte.
»Ein paar Süßigkeiten für euch«, sagte sie. »Karen ist für die Verteilung verantwortlich.« Während sich die drei Jüngeren um die Siebenjährige scharten, begann diese mit der ihr durch das höhere Lebensalter verliehenen sorgfältigen Ehrlichkeit, die Süßigkeiten in Häufchen zu trennen.
Inzwischen entnahm Jane dem Koffer einige andere Dinge und ging ins Haupthaus hinüber, wo Debbie und Karl in der Küche gerade das Abendessen auf den Tisch brachten.
»In Sant’Elia gibt es nur ein paar Lebensmittelläden und eine Bäckerei«, sagte sie. »Aber Giuseppes Frau Lucia macht einen wunderbaren Limoncello …« Sie stellte eine Flasche in Geschenkpapier auf die Arbeitsfläche. »Und richtig gute Konserven – besonders das mandarino. « Eine Auswahl kleinerer Gläser fand neben der Flasche Platz.
»Oh, danke«, sagte Debbie.
»Und – war es schön?«, fragte Karl.
»Wunderbar. Ein faszinierender Ort. Vielen Dank noch mal, ihr beiden.« Ihre Italienreise war ein Geburtstagsgeschenk von Debbie und Karl gewesen. »Lasst uns den hier jetzt trinken«, sagte sie und wickelte den Wein aus einem T-Shirt, in das sie ihn zum Schutz gesteckt hatte. »Es ist ein Rotwein von den Hängen des Monte Vulture. Soll
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