Gottesgericht
eine dritte Partei. Und du kannst darauf wetten, dass die Türken die Situation genauso zu klären versuchen – es macht sich sehr schlecht, wenn Ausländer in deinem Land vor den Augen der Welt ermordet werden.« Schließlich legte er ihr die Hände auf die Schultern und sah ihr in die Augen. »Ich wollte nur, dass du weißt … diese wenigen Tage, die wir zusammen waren«, sagte er leise, »die waren mir sehr kostbar. Sie haben mir durch schwere Zeiten geholfen …« Er lächelte über das ganze Gesicht. »Vor allem in diesem Hühnerstall.«
Jane zuckte mit den Achseln. Seine Flapsigkeit verunsicherte sie. Meinte er es aufrichtig?
»Aber im Ernst, Jane – es hilft mir immer noch.«
Sie legte die Wange an seine Hand. »Es sollte nicht sein, das haben wir gewusst. Aber ich bin froh, dass wir …«
Er legte seinen freien Arm um sie und zog sie an sich.
Sie spürte seine ausgemergelte Gestalt durch sein Hemd.
»Bete für mich, Jane«, flüsterte er. »Zu wissen, wann man sterben wird, ist nicht so toll, wie es immer heißt.«
18
Jane setzte sich in ihr Auto und schaltete das Radio gerade rechtzeitig an, um die Fünfzehn-Uhr-Nachrichten auf TalkNation zu erwischen. Die Hauptmeldung begann mit: »Das Büro der EU -Präsidentschaft in Dublin gibt bekannt, dass die Beitrittszeremonie für die Türkei, die am Donnerstag stattfinden sollte, angesichts der anhaltenden Geiselkrise in Istanbul verschoben wird, bis sich die Lage geklärt hat. In der Zwischenzeit üben Ägypten und Deutschland massiven Druck auf die türkische Regierung aus, die Freilassung ihrer Bürger sicherzustellen, die von der sogenannten Belisarius Brigade im Museum Hagia Sophia gefangen gehalten werden …«
Sie schaltete das Radio aus und fuhr aus dem Parkplatz. Die ganze Sache entwickelte sich zu einer Katastrophe für die Türkei. Und natürlich bedeutete die Verschiebung, dass sie und das Team die Pläne einstampfen konnten, die sie zur Berichterstattung über die Beitrittszeremonie gemacht hatten. Was Löcher in den morgigen Programmablauf riss und den von Donnerstag vollkommen zunichtemachte. Sie würde einige Stunden am Telefon verbringen müssen, wenn sie nach Hause kam.
Als Jane auf der gekiesten Fläche vor dem Haus hielt, war es fast vier. Anstatt hineinzugehen, machte sie das Radio wieder an und wartete nervös auf den Nachrichten-Jingle. Die Türkei war immer noch die Hauptmeldung: »Berichten zufolge haben Panzer und Soldaten vor der Hagia Sophia Stellung bezogen. Man nimmt an, dass sich das Militär auf den Sturm des Gebäudes vorbereitet, ehe die Terroristen ihre Drohung wahr machen, zwei der Geiseln zu blenden beziehungsweise zu verstümmeln.«
Es war so weit. Jane fragte sich, wie viele der Geiseln überleben würden.
Der Nachrichtensprecher fuhr mit dem nächsten Thema fort, das von einem drohenden Ausbruch des Vesuvs und den Folgen für die nahe gelegene Stadt Neapel handelte. Jane beschloss, dranzubleiben und sich den Bericht anzuhören, da sie erst vor Kurzem bei ihrer Reise in die Basilikata an dem Vulkan vorbeigekommen war. Doch kaum hatte der Sprecher einen vorbereiteten Beitrag angekündigt, der ein Interview mit einem britischen Vulkanologen beinhaltete, sagte er: »Wir bringen diesen Bericht zu einem späteren Zeitpunkt, denn es gibt eine Eilmeldung aus der Türkei, wo das Geiseldrama unbestätigten Berichten zufolge ein Ende gefunden hat … Lassen Sie uns live nach Istanbul gehen, wo Paddy Wright bereitsteht …«
Jane hielt den Atem an.
»In den letzten Minuten sind zwei Geiseln, die von der Terrorbande verstümmelt werden sollten, von ihren Mitgefangenen befreit worden. Diese behaupten, die Terroristen seien geflohen. Der Kommandeur der Militäreinheiten, die das Museum umstellt haben, warnte die Geiseln jedoch davor zu versuchen, die Türen zu öffnen, die ins Freie führen, da diese mit Sprengstofffallen versehen seien. Noch ist unklar, warum die Terroristen beschlossen, ihre Drohung nicht auszuführen, und man befürchtet, sie könnten noch im Gebäude sein. Wir melden uns sofort mit weiteren Informationen, sobald es welche gibt …«
Jane atmete erleichtert aus. Die Sache schien ein Ende gefunden zu haben – und ein unerwartetes dazu. Oder würde es noch einmal eine unschöne Wendung geben?
Sie fuhr zusammen, als ihr Handy auf dem Beifahrersitz laut klingelte.
»Heißt das, die Zeremonie findet doch statt?«, fragte Joe in der Annahme, dass sie die Nachrichten gehört hatte.
»Das werden wir
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