Gottesgericht
werden sollten, wurden aus ihren Hüllen genommen, und dieses hier hatte in einem emaillierten, goldenen Buchschrein von der Art gesteckt, die man normalerweise mit Evangelien und anderen heiligen Texten in Verbindung brachte. Aber es war kein biblisches Manuskript. Es war ein Buch mit Prophezeiungen aus dem 8. Jahrhundert.
Bruder Petros setzte sich und überlegte, was da direkt vor seiner Nase passiert war. Dann fing er zu lachen an. Nach all der Aufregung und Sorge um den Schutzbrief Mohammeds, der längst wieder an seinem Platz an der Wand stand, erheiterte ihn die Entdeckung, dass auch dieser, genau wie die attraktive Dr. Kelsey, die ganze Zeit nur als Ablenkung gedient hatte.
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Jane schaltete zwischen verschiedenen Nachrichtensendern hin und her, während sie darauf wartete, dass die Kinder – vor allem Bethann – zur Ruhe kamen. Ihre Tochter war auf Karens Bett herumgehüpft und gefallen, wobei sie sich die Wange an einer Kommode angeschlagen hatte. Daraus war langsam ein blaues Auge entstanden, was sich im Lauf des Abends zu einer Quelle großer Faszination für Bethann auswuchs. Bisher war sie rund zehn Mal vom Bett zum Badezimmerspiegel geflitzt, um zu sehen, ob sich weitere Änderungen bezüglich Größe und Farbe ergeben hatten.
Israel hatte bestätigt, dass es seine Blockade beendete und sich auf die Suche nach dem Schiff mit der Belisarius Brigade an Bord konzentrierte. In einem Interview sagte ein israelischer Regierungssprecher, eine entsprechende Ankündigung sei bereits »am Vormittag« erfolgt. Da dies mit der Ausstrahlung ihrer Sendung zusammenfiel, lag für Jane der Verdacht nahe, dass die Entscheidung, die Brigade zu jagen, zu diesem Zeitpunkt bereits feststand – dass die Israelis also schon vor ihrer Sendung einen entsprechenden Hinweis bekommen hatten. Das würde erklären, warum sich die israelische Botschaft nicht die Mühe gemacht hatte, sich an TalkNation zu wenden. Es spielte allerdings keine große Rolle – sie war zuerst und vor allem Journalistin und früher als irgendwer sonst mit der Geschichte herausgekommen.
In der Zwischenzeit war das Schiff der Brigade verschwunden. Die für den Sueskanal zuständige Behörde behauptete, die Durchfahrt des Schiffs sei nirgendwo dokumentiert. Und der elektronischen Überwachung durch die Vereinigten Staaten schien es irgendwie entkommen zu sein. Offenbar war es »auf Tauchstation gegangen«, indem es sein AIS-System abgeschaltet hatte, was gegen internationales Recht verstieß – ein Vergehen, das der Bande schwerlich großes Kopfzerbrechen bereitete.
Jane seufzte. Es schien, als sei man der Ergreifung der Belisarius Brigade keinen Schritt näher gekommen. Wie immer das Ende der Blockade zu bewerten war, ihre Hoffnungen in dieser Hinsicht waren jedenfalls geplatzt. Da die Begegnung mit Orhun immer noch an ihr nagte und ihre Erkältungssymptome noch nicht ganz abgeklungen waren, beschloss sie, früh zu Bett zu gehen und sich hoffentlich rundum besser zu fühlen, wenn sie am Dienstagmorgen aufwachte.
Aber wenn sie nach oben ging, solange Bethann noch herumlief, würde die Kleine zu ihr ins Bett kriechen wollen, und dann würde sie schlecht schlafen, da sich das Kind pausenlos hin und her wälzte.
Während Jane noch schwankte, was sie tun sollte, fiel ihr Blick auf den Stapel der Zeitungen, die seit Sonntag auf dem Beistelltisch lagen, und sie beschloss, sie zum Altpapierbehälter zu bringen. Lavelles Briefumschlag befand sich obenauf, und sie legte ihn beiseite. Als sie von draußen wieder hereinkam, lag er allein auf dem Tisch. Die Vorstellung, sich noch einmal mit Material zu quälen, das so viel Schmerz in ihr Leben gebracht hatte, sagte ihr nicht eben zu. Sie war versucht, das Kuvert in eine Schublade zu legen und zu vergessen. Aber das wäre nicht fair gegenüber Lavelle gewesen. Wenn er wollte, dass sie alles las, sollte sie seinen Wunsch respektieren.
Sie holte die Papiere heraus. Das Einzige, was sie noch nicht gelesen hatte, war der letzte Teil des getippten Texts und ein paar handschriftliche Absätze.
Ein paar Worte – meine letzten, glaube ich! – über KOSS .
Kurz nachdem ich meinen Entführern auf den Philippinen entkommen war, nahm ich Kontakt mit Cultwatch in den USA auf und bat sie, mich über die Aktivitäten der Hüter des Siebten Siegels auf den neuesten Stand zu bringen. Sie sagten, KOSS sei nicht länger eine von einem Guru geführte Gruppe, die in Wüsten- und Waldlagern haust – wie Du selbst ebenfalls
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