Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gottesopfer (epub)

Titel: Gottesopfer (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
Vom Netzwerk:
verließ das Hotelzimmer.
    Nina Vigna hatte ihr knackig enges Kostüm vom Nachmittag durch einen dunklen Anzug ersetzt, eine schwarze Wollmütze über ihr blondes Haar gezogen und einen dicken Schal um den Hals gewickelt. Sie lief vor der Hotelrezeption auf und ab und wartete auf Sam O’Connor, einen der attraktivsten Männer, die sie in den letzten Jahren kennengelernt hatte. Er gefiel ihr. Er warnicht arrogant oder überheblich, und dazu kam, dass sie selten einen Mann mit so warmen und zugleich traurigen Augen gesehen hatte. Nina hätte dieses nächtliche Rendezvous gerne auf eine private Ebene ausgedehnt, doch sie stand am Anfang ihrer Karriere und konnte sich keinen Fehltritt oder gar eine Affäre erlauben, zumal sie den Posten nur durch die Beziehungen ihres Mannes bekommen hatte. Die Fahrstuhltür ging auf, und O’Connor trat heraus. Er hatte ein leichtes Lächeln auf den Lippen, als hätte er ihre Gedanken noch im Fahrstuhl erraten. Sie erwiderte sein Lächeln nicht, sondern sagte nur kühl: »Mein Wagen parkt draußen. Kommen Sie.«
    Eine halbe Stunde später fuhren sie mit dem kleinen Fiat Panda mitten auf die Piazza di Campo dei Fiori .
    Die Gegend konnte man nicht gerade als vornehm bezeichnen. Die alten Häuser, von denen der Putz abblätterte, standen wie eine Schutzmauer um den Platz. Oben schienen sie bewohnt zu sein, zumindest deuteten ein paar voll behangene Wäscheleinen auf den Balkonen darauf hin. Unten waren ein paar Bars und Pizzerien, die um diese Uhrzeit jedoch geschlossen waren.
    Sam nahm alles in sich auf, besah sich jeden Winkel und versuchte, wie ein Spürhund die Gerüche zu erfassen, die in der Luft lagen.
    Â»Jeden Vormittag – außer sonntags – kann man hier Obst, Gemüse …«, setzte Nina an und wurde von Sam unterbrochen: »… Fisch, Fleisch und Blumen kaufen?«
    Sie sah ihn überrascht an. »Ja, woher …«
    Â»Hier liegen vertrocknete Blumen, dort steht ein Eimer Wasser, und die Luft riecht nach totem Fleisch und Fisch. Was sagten Sie gerade? Außer sonntags? Ich nehme mal an, man fand die Frau an einem Sonntag in den frühen Morgenstunden?«
    Nina blätterte in ihren Unterlagen, bis sie den gesuchten Eintrag fand.
    Â»Ja, der 14. Oktober war ein Sonntag. Sie stehen richtig.«
    Sam guckte etwas verwirrt auf den Boden – bis er verstand.

    Â»Sie meinen, ich liege richtig.«
    Â»Na schön, dann liegen Sie eben. Im Mittelalter hat man auf der Piazza Hexen und Verbrecher öffentlich hingerichtet.« Nina drehte sich um und zeigte auf die Statue, die in der Mitte des Platzes stand. »Die Statue hier, das ist Giordano Bruno. An dieser Stelle wurde er verbrannt … bei lebendigem Körper. Auch terrificante . Kennen Sie die Geschichte von ihm?«
    Â»Giordano Bruno war ein italienischer Dichter und Philosoph. Vor etwa vierhundert Jahren wurde er unter anderem wegen abfälliger Äußerungen über Jesus Christus und die Evangelien von der Kirche zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt.« Die Betonung auf Kirche entging Nina nicht.
    Â»Sie sagen das so … so böse.«
    Â»Ich bin kein Freund der Kirche, sagen wir es mal so.« Sam drehte sich langsam im Kreis und nahm jedes Haus, jede Bar und jede Lampe so genau auf, als fotografierte er sie.
    Â»Die Kirche hat aber auch 2000 die Hinrichtung von Bruno für … na, wie sagt man?«
    Â»Für Unrecht erklärt? Ein bisschen spät, finden Sie nicht?«
    Auf dem Platz standen insgesamt sechs schwach leuchtende Laternen, die Sam nun in Augenschein nahm.
    Â»Welche davon war es?«
    Nina ging auf eine in der Mitte des Platzes zu und blieb darunter stehen. »Hier war sie angebunden und hat gebrannt.«
    Â»Ich denke oder hoffe, dass sie schon tot war, als er sie hierhergeschleppt und angezündet hat.«
    Â»Haben Sie die Wunden auf ihrem Körper gesehen?«
    Sam konnte das Bild des entstellten Körpers kaum vergessen. Er nickte.
    Â»Er hat mit einer glühenden Eisenzange Fleischstücke aus ihrem Körper gebrannt und gerissen. In ihrem Gesicht fehlte die Nase. Ich bin auch überzeugt, dass sie hier schon tot war«, sagte Nina leise.
    Wieder nickte Sam. Der Mörder war auf jeden Fall mobil gewesen, sonst hätte er die Frau nicht mitten in der Nacht von ihrer Wohnung hierher auf den Platz bringen können. Wenn Sam mit

Weitere Kostenlose Bücher