Gottesopfer (epub)
es in diesem Haus sonst nie Besuch. Die Einkaufstüten, die sie in der Hand hielt, stellte sie neben den Küchenschrank auf den FuÃboden und sah abwechselnd von Geiger zu Sam.
»Es geht um Irene. Sie prüfen den Fall noch einmal«, sagte Geiger schnell.
»Ach«, meinte die Frau sichtlich überrascht.
»Darf ich fragen, wer Sie sind?«, fragte Sam höflich.
»Gina Geiger. Ich bin die neue Frau von Helmut«, fügte sie leiser hinzu.
Sam nickte nachdenklich, während Geigers Kaffeelöffel in die nächste Runde ging. Er wurde das Gefühl nicht los, dass ihm hier irgendetwas verheimlicht wurde. Dann erinnerte er sich an den Namen. Den Namen, den er in der Akte gelesen hatte.
»Warum ziehst du dir nicht etwas an? Ich werde den Besuch nach drauÃen begleiten, Helmut.« Gina Geiger war hinter den Stuhl ihres Mannes getreten und half ihm auf. Geiger erhob sich mürrisch und verlieà schlurfend die Küche.
»Sind Sie Regina Sauer, seine Affäre von damals?« Sam lieà es jetzt darauf ankommen.
Die Frau sah ihn traurig an, dann sagte sie leise: »Ja. Ich habe noch heute ein schlechtes Gewissen. Sie war meine beste Freundin. Sie hatte alles kommen sehen.«
»Wie meinen Sie das, sie hatte alles kommen sehen?«
»Irene war etwas Besonderes. Sie â¦Â«
»Gina!« Geiger stand wieder in der Tür, immer noch in seinem Morgenmantel. Er hatte gelauscht. »Ich denke, ich begleite den Herrn nach drauÃen«, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Gina Geiger verstummte und fing an, die Einkaufstüten auszupacken.
Sam erhob sich und wurde ohne ein weiteres Wort nach drauÃen eskortiert. Höflich, aber bestimmt.
Im Auto sah er sich die Akte erneut an. Regina Sauer war zum Zeitpunkt der Tat mit Helmut Geiger in der Schweiz gewesen. Sie kamen also beide persönlich für den Mord nicht infrage. Aber was hatte Gina Geiger damit gemeint, dass Irene etwas Besonderes war, und was hatte diese kommen sehen?
8
Ein kleiner schwarzer Stumpf, der aus der Erde ragte, war das Einzige, was noch an den Mord erinnerte. An den einst jungen Baum hatte der Täter Irene Geiger gebunden und sie anschlieÃend angezündet. Er stand in einer kleinen, kreisrunden Parkanlage an der InnocentiastraÃe in Pöseldorf, einer der feineren Gegenden Hamburgs. Der Park grenzte an einen Spielplatz und war von hohen Büschen umgeben. Laut Obduktionsbericht in der Akte hatte man an der verbrannten Leiche nicht mehr viel feststellen können. Der Schädel war wegen der Hitze in mehrere Teile zersprungen.
Er sah auf die Uhr, als es hinter ihm raschelte. Sie war pünktlich.
»Es tut mir leid, dass Helmut immer so barsch ist. Er ist ein ängstlicher Mann«, sagte Gina Geiger und lächelte zögerlich. »Gut, dass Sie den Zettel mit meiner Nachricht in Ihrer Manteltasche gefunden haben. Wie ich bereits sagte, fühle ich mich immer noch irgendwie schuldig. Es war nicht rechtens, meine Freundin zu hintergehen. Also, wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann?«
Eine Ehebrecherin mit Gewissensbissen, dachte Sam und hoffte, dass er das für sich nutzen konnte.
»Warum hat Irene ihre eigene Wohnung behalten?« Sam steuerte auf eine Bank zu und setzte sich. Gina Geiger nahm neben ihm Platz.
»Sie hat dort gearbeitet. Deshalb war Helmut so komisch. Er fürchtet, dass er Steuern nachzahlen muss. Er ist etwas paranoid, was die Steuer angeht, aber â¦Â«
»Was hat sie dort gemacht?«, unterbrach Sam sie. Es entstand eine kleine Pause, während der er die Frau von der Seite näher betrachtete. Sie hatte eine kleine Stupsnase, fein gezupfte Augenbrauen und eine feinporige Haut. Sie trug leichtes Make-up, aufdie hohen Wangenknochen hatte sie rosafarbenes Rouge aufgetragen, das hier und da etwas glitzerte.
Endlich antwortete sie. »Sie hat so eine Art Lebensberatung gemacht.«
Auf Sams Stirn entstand eine tiefe Falte.
»Wissen Sie, das Witzige an der Sache ist â¦Â na ja, witzig ist das nicht unbedingt, aber sie hat gesehen, dass Helmut eine Affäre hatte. Sie wusste nur nicht, dass ich es war.«
Sam atmete tief aus, strich sich mit beiden Händen die Haare nach hinten und verzog das Gesicht, um Gina damit zu zeigen, dass er ihr nicht folgen konnte. »Sorry«, meinte er, »aber ich verstehe nicht so ganz, wovon Sie reden. Wie hat sie das denn gesehen? Hat sie Sie beide
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