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Gottesopfer (epub)

Titel: Gottesopfer (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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ihm ein Rezept über Voltaren aus.«
    Doktor Herrmann trat von hinten an Lina heran, berührte ihre Schultern und beugte sich überflüssigerweise über sie, um auf die Patientenliste im Computer zu sehen. Der Geruch von »Irischem Frühling« oder einem ähnlichen Wässerchen stieg ihr in die Nase. Da betrat ein Patient mit roter Nase die Praxis, gefolgt von Cecilia, Doktor Herrmanns neuem Betthupferl. Sie war mindestens einen Meter achtzig, ihre blonden, künstlich verlängerten Haare, die an den Enden zu Locken gedreht waren, wippten bei jedem Schritt, fast im gleichen Rhythmus wie ihre üppige Oberweite in der durchsichtigen Bluse. Die meisten Männer beschrieben sie als engelsgleiche Erscheinung, als anmutig, schön und weiblich, während Frauen die Augen verdrehten und besonders ihre Rückansicht als ausladend und pferdeähnlich bezeichneten.
    Cecilias Blick wanderte von Lina zu Doktor Herrmann undwieder zu Lina, dann bedachte sie Lina mit einem giftigen Blick. Doktor Herrmann verschwand schnell in seinem Behandlungszimmer, während Cecilia ihre Unterlagen auf den Tresen legte und wartete, bis Lina den neuen Patienten abgefertigt hatte.
    Â»Pass mal auf, Lina, du und ich – wir kriegen ein ernstes Problem, wenn du deine Finger nicht auf der Tastatur lässt, verstanden?«, zischte Cecilia, als der rotnasige Patient außer Hörweite war.
    Â»Herr Lange, Sie können jetzt in Behandlungsraum 3 gehen«, rief Lina einem jungen Mann im Wartezimmer zu, der eine Zeitung weglegte und sich langsam Richtung Behandlungszimmer bewegte. »Herr Roland, und Sie können nach hinten zum Röntgen gehen. Ich komme gleich.«
    Lina ignorierte Cecilia. Das war für sie beide das Beste, fand sie.
    Denn mit Lina, die sonst stets freundlich, umgänglich, eine gute Zuhörerin und verständnisvoll war, ging schon mal ihr südländisches Temperament durch, wenn jemand sie reizte, und sie wollte hier in der Praxis keine hässliche Szene.
    Sie folgte Herrn Roland in den Röntgenraum, gab ihm eine kurze Anweisung, drückte dann aufs Knöpfchen des Röntgenapparats und rannte wieder nach vorne zur Anmeldung, weil das Telefon klingelte.
    Lina suchte nach einem freien Termin, trug das Datum im Computer ein, und als sie wieder aufsah, stand Herr Lange, den sie eben in Behandlungszimmer 3 geschickt hatte, vor ihr. Er schaute auf ihr Silberarmband, an dem bunte Kreuze, Sonnen, Engel, die Heilige Maria, Monde, Sterne und eine kleine Erdkugel hingen und bei jeder Bewegung klirrende Geräusche von sich gaben.
    Â»Schönes Armband haben Sie da.«
    Â»Danke. Herr Lange, wann können Sie das nächste Mal kommen?« Lina rief die nächste Woche im Computer auf.
    Â»Ich weiß nicht so recht. Ich habe eine Spritzenphobie – na ja, eigentlich würde ich die Therapie lieber abbrechen.«

    Lina überlegte. Es war nicht das erste Mal, dass sie das hörte. Die Schmerzen mussten furchtbar sein, und sie war froh, dass sie keine Patientin von Doktor Herrmann war.
    Â»Um Ihr Knie wieder voll funktionsfähig zu machen, ist es aber wichtig, das Gelenk wieder aufzubauen. Gerade nach der Operation, Herr Lange.«
    Lina kannte die Krankengeschichte aller Patienten, und deshalb wusste sie auch, dass Herr Lange eine Meniskusoperation hinter sich hatte. Sie sah ihn an und kaute auf ihrer Lippe herum. »Wissen Sie, vielleicht kann Doktor Ritter Ihnen helfen.« Schon zum zweiten Mal an diesem Tag schrieb sie flink die Nummer ihres neuen Arbeitgebers auf einen Zettel und reichte ihn über den Tresen.
    Â»Danke, sehr nett von Ihnen. Ist das die Nummer, die Sie der Frau vorhin gegeben haben? Die Nummer von diesem Hypnose-Fritzen? Ich habe das Gespräch unbeabsichtigt mitgehört, und ehrlich gesagt, halte ich nichts von Hypnose.« Er legte den Zettel zurück auf den Tisch und drehte sich zur Garderobe um.
    Â»Herr Lange …« Lina räusperte sich und dachte an das, was Doktor Ritter einer Patientin gesagt hatte. »… Angst ist eine vollkommen natürliche Reaktion des Körpers. Die Phantasie spielt oft eine sehr entscheidende Rolle dabei. Doktor Ritter kann Ihnen dabei helfen, Ihre Gedanken zu kontrollieren, bevor die Angst in Ihrem Kopf entsteht.«
    Â»Die Angst entsteht nicht erst, sie ist immer vorhanden, verstehen Sie?«, erwiderte Herr Lange nüchtern.
    Â»Er macht ja nicht nur Hypnosetherapien,

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