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Gottesopfer (epub)

Titel: Gottesopfer (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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Sam den Artikel so dicht vor die Nase, dass dieser erst einmal zurückwich, um die Buchstaben erkennen zu können. Die Schlagzeile lautete: »Bekannter Münchner Profiler macht europaweit Jagd auf irren Frauenmörder.«
    Es folgte ein kleiner Artikel mit ein paar kläglichen Fakten, den Rest hatte sich der Journalist aus den Fingern gesogen. Außerdem stand er in einem Münchner Lokalblatt, nicht in einer großen Tageszeitung. Es hatte also nicht viel zu bedeuten.
    Sam gab Heffmann die Zeitung zurück und verabschiedete sich, während er seinen schwarzen Ledermantel anzog und die Wagenschlüssel aus der Hosentasche hervorkramte.
    Auf dem Weg nach draußen überlegte er, wie van Houten eigentlich darauf gekommen war, dass der Mord etwas mit Sadomasospielen oder dem Rotlichtmilieu zu tun hatte. Die Antwort darauf sollte er schneller als gedacht bekommen.

14
    Professor Klein, der leitende Arzt der Psychiatrischen Klinik Semmerling, war ein hochgewachsener, dünner Mann mit vollem grauen Haar und Nickelbrille. Er saß in einem dunkelbraunen Lederstuhl hinter einem großen Mahagonischreibtisch und sah Sam freundlich über einen Stapel grauer Pappordner hinweg an.
    Â»Nun, Herr O’Connor, …«, er hüstelte etwas und steckte sich eine Tablette in den Mund, die er mit einem Schluck Wasser hinunterspülte. Sam rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her, während Professor Klein die Akten durchforstete.
    Â»Ja, wo habe ich denn die Akte … ach ja, hier ist sie.«
    Sam zwang sich, gelassen auszusehen, schlug die Beine übereinander, steckte die Hände in seine Hosentaschen und machte sich bereit für den nächsten Vortrag über Drogen und ihre Folgen. »Ihre Schwester hat große Fortschritte gemacht. Wir haben jetzt das Beruhigungsmittel Haldol abgesetzt. Sie ist ja, wie ich Ihnen schon sagte, in einer Therapiegruppe, in der sie lernen soll, ihre Gefühle auszudrücken und wieder Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu bekommen. Vor zwei Tagen gab es einen richtigen Durchbruch: Sie hat großes Interesse an der Maltherapie gezeigt. Sie hat richtig Talent. Ich denke, wenn ihr Zustand anhält, kann Lily bald wieder nach Hause. Wichtig ist dann, dass sie ihre Medikamente regelmäßig einnimmt und dass sie keiner Art von Stress oder anderweitigen Belastungen ausgesetzt wird. Das könnte zu einem sofortigen Rückfall führen.«
    Sam war positiv überrascht und entspannte sich innerlich. »Kann ich sie sehen?«
    Â»Aber natürlich.« Der Professor erhob sich, und Sam folgte ihm in einen langen Flur. An den Wänden hingen selbst gemalte Bilder – von Patienten, wie Sam vermutete.
    Â»Ach, das hier ist übrigens von Lily.« Der Professor blieb voreinem in Orange-, Rot- und Gelbtönen gehaltenen Bild stehen. Erst auf den zweiten Blick konnte man ein Gesicht erkennen.
    Â»Anfangs hat sie nur schwarze Fratzen gemalt. Eine sehr positive Veränderung also.«
    Sie erreichten eine verglaste, grifflose Tür mit eingelassenem Gitternetz, die sich automatisch öffnete und hinter ihnen sofort wieder schloss. Sam kannte die ganze Prozedur bereits, wusste auch, dass er in zehn Minuten wieder draußen sein würde, und trotzdem hatte er plötzlich ein beklemmendes Gefühl in der Brust.
    Der Gang führte einmal um den Block herum, sodass die Patienten im Kreis gehen konnten. Jetzt, kurz nach dem Mittagessen, waren die meisten glücklicherweise auf ihren Zimmern, und Sam musste nicht so tun, als wäre er unter geistig gesunden Menschen.
    Der Professor blieb vor einer Zimmertür stehen, klopfte an und trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Lily saß im Schneidersitz auf dem Bett und sah aus dem Fenster. Sie hatte eine graue Jogginghose und ein schwarzes T-Shirt an, in dem sie noch dünner aussah, als sie ohnehin schon war. Sam schätzte, dass Lily mit ihren einsfünfundsechzig immer noch unter fünfzig Kilo wog. Ein perfektes Gewicht für einen Hollywoodstar, aber nicht für eine normale Frau. Ihre ehemals langen dunkelbraunen Haare waren auf Kinnlänge abgeschnitten, ihr Pony, kaum mehr als zwei Zentimeter lang, stand stoppelig nach oben. Wahrscheinlich hatte sie ihn selbst ohne Spiegel gekürzt. Aber auch das konnte ihrer natürlichen Schönheit nichts anhaben, fand Sam.
    Als Lily ihren Bruder sah, sprang sie sofort auf und lief ihm in die Arme. Sie sagte

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