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Gottesopfer (epub)

Titel: Gottesopfer (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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nichts, und Sam spürte nur das leichte Zittern, das durch ihren Körper ging. Er sah den Professor an, der sofort verstand und ohne ein weiteres Wort das Zimmer verließ.
    Â»Sammy! Ich habe dich vermisst. Wo warst du so lange?«, schluchzte Lily in seinen Pullover. »Wie lange lässt du mich noch hier drin?«
    Nur seine Schwester nannte ihn bei seinem KosenamenSammy. Er nahm ihr tränennasses Gesicht in beide Hände und sah in zwei große dunkelbraune Augen.
    Â»Ich kann dir nichts versprechen, aber ich denke …«, er grinste übers ganze Gesicht, »wie wär’s, wenn ich dich bald abholen komme?«
    Lily fiel ihm wie ein kleines Mädchen um den Hals. »Meinst du das ehrlich?«
    Â»Ja, du musst nur weiterhin das tun, was sie von dir hier verlangen. Sei schön artig, sei ein braves Mädchen, und dann bist du bald draußen.«
    Â»Versprochen?« Lily sah ihm wie die Schlange Kaa im Dschungelbuch tief in die Augen, und Sam antwortete wie hypnotisiert: »Ver-spro-chen.«
    Dann lachten sie beide, und es war wie in alten Zeiten. Doch ein Blick auf das vergitterte Fenster holte Sam schnell wieder in die Realität zurück, und sein Lächeln verschwand.
    Â»Was ist los mit dir?« Lily war trotz ihrer Krankheit äußerst sensibel, besonders was ihren Bruder anging, und merkte sofort, dass ihn etwas bedrückte.
    Â»Ich arbeite viel. Ein neuer Fall, weißt du. Bisschen kompliziert.«
    Er setzte sich aufs Bett, Lily lehnte sich gegen ihn und strich ihm übers Haar. Wie immer forderte sie ihn so ohne Worte auf zu erzählen, an was er gerade arbeitete.
    Â»Ein Serientäter, der zwei Morde auf die gleiche Art und Weise begangen hat. Plötzlich aber hat er seinen modus operandi beim dritten geändert. Warum tut er das?«
    Sam wollte Lily die Einzelheiten ersparen, die Verbrennungen und dass Birgit Eschberger geköpft worden war. Eigentlich dachte er nur laut.
    Â»Stell dir vor, du hast drei gleich große Röhren und drei Kugeln, die du durch die Röhren laufen lässt. Wenn eine nicht durchgeht, bedeutet das doch, dass sie vielleicht anders ist. Die Form stimmt nicht, vielleicht hat sie Dellen oder ist zu groß«, sagte Lily.
    Â»Ja, das ist logisch.« Sam dachte kurz über die Worte von Lily nach und wechselte dann das Thema. »Ich habe das Bild draußen von dir gesehen.«
    Â»Ja, gefällt es dir? Hier, schau mal.« Lily holte einen Block unter dem Bett hervor und zeigte ihm weitere Zeichnungen, die Sam überschwänglich lobte. Dann war es auch schon wieder Zeit zu gehen.
    Wie die letzten Male begleitete Lily ihn noch bis an die große Glastür, und als diese sich wieder hinter Sam schloss, blieb sie stehen und winkte ihm nach, bis er schließlich hinter einer weiteren Tür verschwand.
    Lily hatte mehrere Häuser der Nervenheilanstalt durchlaufen. Aus der geschlossenen Abteilung, in der die nicht mehr Zurechnungsfähigen untergebracht waren und die durch einen großen Sicherheitszaun mit Stacheldraht von den anderen Häusern abgetrennt war, war sie inzwischen in die offene Abteilung verlegt worden.
    Als er auf den Hof trat, blickte sich Sam noch einmal zu dem grauen Gebäude mit seinen vergitterten Fenstern um und hoffte inständig, dass er sein Versprechen einhalten konnte, Lily bald hier herauszuholen.
    Er setzte sich in seinen Wagen, sah sich noch einmal im Autoatlas die Strecke München – Hamburg an und platzierte ihn griffbereit auf dem Beifahrersitz. Dann schloss er seinen iPod an das Radio an, klickte die Oper Turandot an, und mit dem ersten Ton, der aus den Lautsprechern erklang, brach er vom Parkplatz der Anstalt in Richtung Norden auf.

1985
    Der kleine Junge stand in einem weißen Kleid vor dem Altar. Sie hatten ihm gesagt, es sei das Zeichen dafür, dass er nun neu geschaffen wurde im Gewand Christi.
    Dann sprach der Priester, während er kaltes Wasser auf seinen Kopf tropfen ließ: »Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Du sollst von nun an den Namen Lukas tragen.«
    Er wischte sich das Wasser, das von seinem Kopf heruntergetropft war, aus dem Gesicht. Nun goss der Priester duftendes Öl auf seinen Scheitel und rezitierte dabei: »Der allmächtige Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, hat dich von der Schuld Adams befreit und dir aus dem Wasser und dem Heiligen Geist neues Leben geschenkt. Du

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