Gottesopfer (epub)
darum herum, er musste nach Amsterdam fahren, dort noch einmal mit van Houten sprechen und wenn möglich sogar mit Catharinas Partner Peter Weller.
Sein Handy vibrierte auf seinem Nachttisch wie ein brummender Käfer, der auf dem Rücken lag. Ein Blick auf das Display, und er wusste, mit wem er gleich das Vergnügen haben würde.
»Herr Brenner, ich wollte Sie auch gerade anrufen«, log Sam und hoffte, dass er überzeugend klang.
»Das bezweifle ich, OâConnor. Wie weit sind Sie? Habe gehört, Sie haben noch einen Abstecher an den Genfer See gemacht. Sie scheinen es ja nicht eilig zu haben, den Fall zu lösen.«
»Sie wissen selbst, dass das Zusammentragen von Fakten ein langsamer Prozess ist. Ich habe Phillippe Argault besucht, um seine Meinung als Fachmann zu hören.«
»So, so â und das zufällig an seinem Geburtstag.«
Sam biss sich auf die Lippe. »Zwei Fliegen mit einer Klappe, aber ich â¦Â«
»Lassen Sie es gut sein, OâConnor. Wie weit sind Sie?«, lenkte Brenner ein.
»Es gibt einen weiteren Fall in Amsterdam. Morgen werde ich einer Spur hier in Hamburg nachgehen und dann nach Holland fahren, um mich dort mit dem zuständigen Beamten zu treffen.«
»Gut, gut. Ab morgen werden Sie übrigens in Hamburg von einem Hilfssheriff unterstützt; ich habe jemanden abgestellt, der Ihnen ein bisschen unter die Arme greifen soll.«
Sam war bekannt dafür, dass er lieber allein arbeitete, es sei denn, er benötigte bei grenzüberschreitenden Fällen die Hilfe von Beamten vor Ort. Doch er protestierte nicht und sagte lediglich: »Ja, vielen Dank. Kann vielleicht nicht schaden.«
»AuÃerdem habe ich dafür gesorgt, dass man Ihnen ein Büro im Polizeipräsidium in Hamburg-Alsterdorf zur Verfügung stellt. Man erwartet Sie dort morgen früh. So, und nun wünsche ich Ihnen, dass Sie etwas zügiger vorankommen.«
Damit war das Gespräch beendet, und Sam atmete erst einmal tief durch und holte sich eine Cola aus der Minibar. Erst jetzt kam er dazu, seinen Mantel auszuziehen.
Er überlegte, ob er noch bei Argault anrufen konnte, aber ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es dafür zu spät war. Wie würde es wohl ohne seinen Freund sein? Argault war nicht nur Sams einziger Freund, sondern auch eine Art Vaterersatz.
Nachdem Sam mit seiner Mutter und seiner Schwester vor etwa fünfundzwanzig Jahren nach Deutschland gekommen war, fehlte ihm sein Vater mehr als alles andere. Er war wütend gewesen auf seine Mutter, denn sie hatte ihn aus seinem Leben in New York gerissen, weg von seinen Freunden und einer aufregenden Zukunft als Cop â das zumindest hatte er sich eingebildet, denn zu diesem Zeitpunkt ging er ja noch zur Schule. Schon als kleiner Junge hatte er davon geträumt, in die FuÃstapfen seines Vaters zu treten, der Verbrecher jagte. Er erinnerte sich noch, wie sein Vater, sein Held, als bester Polizist des Jahres ausgezeichnet worden war.
Als Sam noch klein war, hatte sein Vater ihm, wenn er denn mal zu Hause war, nicht wie andere Väter ihren Söhnen Onkel Toms Hütte oder Robinson Crusoe vorgelesen, sondern hatte ihm von seinen gefährlichsten Einsätzen erzählt. Und am Ende seiner Geschichten hatte er immer gesagt: »Ich weiÃ, mein Junge, du wirst mal ein ganz GroÃer, besser als dein alter Vater.« Sam fragte sich oft, ob sein Vater wohl jetzt stolz auf ihn wäre.
19
Lina stand vor dem Spiegel und putzte sich die Zähne. Erst die linke Seite, dann die rechte. Sie spuckte den Zahnpastaschaum aus, spülte mit Wasser nach und bleckte die Zähne. Eine perfekte blendend weiÃe Zahnreihe à la Hollywood, stellte sie mit Zufriedenheit fest. Dann band sie ihr langes Haar flink mit einem Haargummi zusammen, damit es nicht während des Schlafens zerzauste.
Obwohl sie bei vielen Männern gut ankam und sich schon viele ein Bein ausgerissen hätten, um bei ihr landen zu können, waren es meist die Falschen. Zu hässlich, zu dick, zu dünn, zu prollig, zu alt, zu jung, oder sie sprachen nur über Sex, tranken, nahmen Drogen â oder hatten ein Gelübde abgelegt. Bei ihren Ansprüchen würde sie wahrscheinlich nie jemanden finden. Und wenn sie dann doch einmal einen in die engere Wahl zog, hatte der kein Interesse an ihr. Sie dachte an den Mann aus der Kirche, diesen Sam, den sie gerade erst kennengelernt hatte.
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