Gottessoehne
gottesfürchtige Menschen gewesen waren. Nur eine Familie stemmte sich gegen die Vorherrschaft der Nephilim, Noah mit seiner Frau, seinen Söhnen und deren Ehefrauen. Oft stand er auf dem Marktplatz des Dorfes und ereiferte sich gegen die Nephilim, wobei er seine Faust in Richtung des rotbraunen Monuments schwang. Für ihn waren diese neuen Herrscher gottlose und widernatürliche Wesen, die ein großes Unglück über die Menschheit gebracht hatten. Er warnte seine Zuhörer, dass die Zeit der Abrechnung Gottes bald kommen würde. Gott würde diese Höllenbrut bestrafen, aber auch die Menschen, die mit ihnen verkehrten und sie verehrten. Gott hätte ihm offenbart, dass bald all diese Niedertracht von einer gewaltigen Flut hinweg gespült werden würde. Er und seine Familie aber sollten verschont werden. Aus diesem Grund hatte Noah begonnen, Bäume zu fällen, um zusammen mit seinen Söhnen ein riesiges Schiff zu bauen, das nicht nur genügend Platz für die Seinen bieten würde, sondern auch für das gesamte Getier in der Umgebung.
An dieser Stelle begannen die Erzähler oft zu lachen und meinten, so etwas Irrsinniges hätten sie noch nie gehört. Niemand könnte das Gefasel von Noah ernst nehmen und hinter der vorgehaltenen Hand würde man Noah nur noch
den Verrückten
nennen.
Leas Sorgen um ihr einziges Kind wurden von Mal zu Mal größer, wenn sie diese Geschichten hörte. Sie beschloss, mit Samsaveel zu reden.
»Ich habe Angst um Ezekiel«, meinte sie zu ihrem Mann, der gerade begonnen hatte, das nach einem langen Winterschlaf erwachte Ackerland mit einem Pflug für die nächste Saat vorzubereiten. »Das habe ich auch. Unser Sohn ist schon vor langer Zeit vom Weg abgekommen, er wurde zu einem Fremden für mich.«
»Ich meine nicht sein Verhalten! Junge Männer machen oft Dinge, die sie später bereuen. Im Grunde seines Herzens ist er ein guter Junge.« Samsaveel zog ungläubig die Augenbrauen hoch und betrachtete seine Frau. Konnte es sein, das sie vor Mutterliebe so geblendet war, dass sie nicht erkannte, was für ein verdorbenes Wesen Ezekiel war? »Heute Morgen hat mir ein Nomade, der in unserem Dorf eine kurze Rast einlegte, wieder diese Geschichte von Noah erzählt. Ich kenne Noah aus meiner Kinder- und Jugendzeit und ich weiß, dass er ernsthaft und sehr gläubig ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er die Prophezeiung einer Katastrophe erfunden hat. Wir müssen Ezekiel unbedingt die drohende Gefahr vor Augen halten. Wir müssen ihm ins Gewissen reden und er muss wieder zurück mit uns ins Dorf kommen. Weg von Helel, Asmodeus und den anderen. Die haben nur einen schlechten Einfluss auf ihn.«
Traurig schüttelte Samsaveel den Kopf. »Nein, Lea. Das wird nicht funktionieren. Nicht die Anderen haben einen schlechten Einfluss auf unseren Sohn, unser Sohn ist genauso wie sie. Er ist ein Nephilim. Eine Monstrosität, die niemals hätte geboren werden dürfen. Darin bin ich mir sicher. Sollten die Visionen Noahs wahr sein und Gott wirklich beschlossen haben, uns und die Menschheit zu bestrafen, so haben wir den Samen für seinen Zorn mit der Zeugung unseres Sohnes gesät. Denn die Vermischung der Gottessöhne mit euch Menschentöchtern ist der Ursprung all diesen Übels.«
Leas Gesicht war blass geworden. Sie presste die Lippen fest aufeinander. »Ich habe gar nicht gewusst, dass du es so siehst. Für mich war die Geburt unseres Kindes ein Zeichen unserer Liebe.«
»Entschuldige, so habe ich es nicht gemeint. Ich liebe dich von ganzem Herzen, aber ich war ungehorsam gegen Gott, und was ich tat war falsch. Ezekiel dürfte gar nicht existieren, er ist das Ergebnis meiner Rebellion gegen Gottes Willen.«
Lea starrte ihn sekundenlang an, dann erwiderte sie leise: »Wenn dieser Gott meinen Sohn ablehnt, dann will ich an diesen Gott nicht mehr glauben.« Eine Träne stahl sich aus ihrem linken Augenwinkel und lief sachte die Wange hinab. »Wäre ich dir doch nur nie begegnet, Samsaveel.« Sie drehte sich um und ging. Der Grigori hob flehend seine Arme und rief: »Lea, unsere Liebe ist mir das Wertvollste auf dieser Welt. Ich wollte dich nicht verletzen. Ich bitte dich, unternimm nichts Unüberlegtes. Lass uns morgen noch einmal darüber reden, wir werden eine Lösung finden.«
Lea blickte nicht zurück und lief direkt zu ihrer Hütte, ging hinein und zog die Tür hinter sich zu. Ihr Entschluss stand fest, noch heute wollte sie ihre Sachen packen und sich auf den Weg zu ihrem Sohn machen.
Kapitel
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