Gottessoehne
cremeweiße Katzen eingerollt zu ihren Füßen, hoben wachsam die Köpfe. »Sam, was ist los?«, fragte Kate, die Stimme noch ganz heiser und kratzig vom Schlaf.
»Irgendetwas Schreckliches ist passiert. Ich spüre ganz deutlich, dass einer meiner Brüder etwas Furchtbares getan hat. Ich werde ihn suchen, um herauszufinden, was geschehen ist.«
Kate stützte sich auf ihre Ellenbogen, riss die noch verquollenen Augen auf und sah ihn neugierig an. »Wo willst du ihn suchen? Weißt du wo er wohnt?«
»Ich habe keine Ahnung; wir haben keinen Kontakt zueinander. Aber er hat das natürliche Gleichgewicht zwischen Gut und Böse eben zerstört, da bin ich mir sicher.«
Kate setzte sich auf und legte eine Hand auf seine Schulter. »Aber ist es nicht zu gefährlich, ihn aufzusuchen? Was ist, wenn diese Dämonenschwestern bei ihm sind? Oder noch schlimmer, wenn sie dir eine Falle gestellt haben und nur darauf warten, dass du hineinstolperst.«
»Wenn ich ihn treffe, wird es nur ein Treffen zwischen mir und ihm sein. Ich kann die Anwesenheit von Lilith und ihren Dämoninnen meilenweit spüren, das ist ein weiterer Vorteil, wenn man ein Grigori ist.«
Sie ließ die Hand von seiner Schulter gleiten und begann, auf ihrer Unterlippe zu nagen. »Ich weiß nicht. Ich fühle mich nicht wohl bei der Sache. Ist es wirklich notwendig, dass du ihn stellen musst?«
»Doch, es muss sein« Sanft drückte er sie auf das Kopfkissen zurück, »aber nicht hier und jetzt. Darum schlaf ruhig weiter, hier sind wir sicher.« Dabei vergrub er sein Gesicht in ihr verwuscheltes Haar und flüsterte ihr ins Ohr: »Ich sehe dir doch so gern beim Schlafen zu, dann siehst du noch drolliger aus als sonst.«
Kate zog einen Schmollmund. »Du weißt, dass ich das überhaupt nicht leiden kann. Es würde mich auch mal interessieren, was du für ein Gesicht beim Schlafen machst.«
Sam legte sich wieder neben sie, schob seinen Arm unter ihren Nacken und schüttelte den Kopf. »Ich brauche keinen Schlaf, das war schon immer so. Außerdem birgt der Schlaf für mich große Gefahren. Satanel könnte zu leicht, in mein Bewusstsein eindringen und versuchen, mich zu manipulieren. Also lass ich dieses Experiment besser sein.« Sein besorgter Blick wanderte zu der großen Fensterfront. Weit hinten am Horizont erschien ein rötliches Flackern. Es sah aus, als wäre ein gigantisches Feuerschwert auf die Erde niedergesaust.
Drei Tage nach Sams nächtlicher Vision, stand Kate missmutig in dem Atelier und starrte auf die Leinwand vor ihr. Irgendwie wollte ihr das Bild heute nicht gelingen. Ihre Augen waren müde und gereizt. Ein aufziehendes Gewitter hatte an diesem schwülen Sommertag schon am Nachmittag jegliches brauchbare Tageslicht verdrängt, so dass Kate mit Deckenbeleuchtung malen musste. Der typische, penetrante Geruch von Ölfarbe durchdrang das kleine Atelier.
Sam war schon seit Stunden unterwegs und Kate ertappte sich immer öfters dabei, wie sie auf ihre Armbanduhr schielte. Seit Sam ihr von seiner Vermutung erzählt hatte, dass der zweite Grigori ein schreckliches Verbrechen begangen hatte, war sie von einer ständigen nervösen Anspannung heimgesucht worden.
Dann gestern, in den Nachrichten auf NBC, wurde über einen Mord an einer jungen Ordensschwester berichtet. Ihre Leiche war von dem Gemeindepfarrer der St. Patrick’s Cathedral auf dem Kirchenaltar vorgefunden worden.
Sam hatte den Fernsehbeitrag schweigend verfolgt, doch an der wachsenden Schwärze in seinen Augen hatte sie erkannt, dass ihm dieser Mord persönlich nahe ging. Instinktiv hatte sie gespürt, dass diese Gräueltat etwas mit dem anderen Grigori zu tun hatte. Sie hatte ihn gefragt, doch er war nur vom Sofa aufgestanden und auf die Dachterrasse gegangen.
Das weiße, grelle Licht eines Blitzes zuckte am Abendhimmel und ließ sämtliche Gegenstände im Atelier für einen Moment in aller Schärfe aufleuchten. Grollender Donner folgte. Das Gewitter musste nun ganz in der Nähe sein. Plötzlich durchfuhr Kate eine wahnsinnige Wut. Sie tauchte den dicken Borstenpinsel tief in das Karmesinrot und schleuderte die Ölmalfarbe mit voller Wucht auf die Leinwand. Rote Tropfen spritzten ihr ins Gesicht und blutrote Schlieren liefen die Leinwand hinab. Dann tunkte sie den Pinsel in einen schwarzen Klecks auf ihrer Palette und bewegte ihn mit wilden Strichen über das Rot auf ihrem Gemälde.
Was hast du getan? Die größte Todsünde von allen. Du wirst noch unser aller Verderben sein.
Die Worte
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