Gottessoehne
kreisten unaufhörlich in ihrem Kopf, gleichzeitig tobte in ihr ein gewaltiger Zorn und sie wollte nur noch kämpfen und zerstören. Kate ließ den Pinsel fallen. Das waren nicht ihre Gedanken und Gefühle, das waren Sams. Sam! Er musste in großer Gefahr sein. Abrupt warf sie die Farbpalette in die Ecke, schnappte sich ihren Blazer und rannte aus der Wohnung.
Er hatte es gewusst. Er hatte gewusst, dass Danel früher oder später an der St. Patrick‘s Cathedral auftauchen würde. Sam stand unter der schmiedeeisernen Atlas-Statue, die auf ihren gebeugten Schultern die Weltkugel trug und konnte so genau auf die schweren Bronzetüren der katholischen Kirche gegenüber schauen. Eine dunkle Gestalt drückte sich vor den Türen herum, unsicher, ob sie eintreten oder weitergehen sollte. Eine jähe Windböe, die die schwüle Abendluft zerstob, kündigte das rasche Nahen eines Unwetters an. Ein Blitz zuckte am bleigrauen Himmel und das schwarze Haar und das ebenmäßige Gesicht der dunklen Gestalt waren klar zu erkennen. »Danel,« rief Sam laut und schritt hinüber zum Kirchengebäude. Das laute Krachen des Donners erschallte wie das Echo seines Rufes. Danel wirbelte herum. Sam stand ihm nun direkt gegenüber.
»Samsaveel, wie schön dich zu sehen. Was führt dich denn hierher?«
»Nun, ich habe dich schon seit Tagen gesucht, dabei wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich dich irgendwann hier finden werde. Ist es nicht so, dass ein Mörder immer wieder an den Ort seines Verbrechens zurückkehrt?«
»Ich weiß nicht, was du meinst.«
»Doch, ich denke, das weißt du ganz genau. Die tote Nonne, die auf so theatralische Art und Weise in dieser Kirche aufgebahrt worden ist, das war doch dein Werk.«
»Und wenn es so wäre, was geht es dich an?« Danel hob das Kinn, kniff die Augen zusammen und musterte sein Gegenüber geringschätzig. Dann wand er sich zur Seite und ließ Sam stehen. Sam folgte ihm.
»Die Gegend hier ist etwas zu belebt für meinen Geschmack, gehen wir besser dorthin, wo wir weniger Publikum haben.«
»Das ist mir sehr recht.«
»Außerdem«, meinte Danel und schaute dabei über die Schulter nach seinem Verfolger, »hat dieser Ort für mich eine zu spirituelle Ausstrahlung, das macht mich nervös.«
»Ach, früher fandest du doch gerade solche Plätze sehr anziehend«, erwiderte Sam anklagend. Die beiden Grigori marschierten mit weit ausgreifenden Schritten nebeneinander her und passierten den Vorplatz des Rockefeller Centers, auf dem sich die New Yorker vor dem drohenden Gewitter in das Hochhausgebäude flüchteten. »Das war bevor wir in Ungnade gefallen sind. Du scheinst ja im Gegensatz zu mir vergessen zu haben, auf welcher Seite wir stehen.«
»Worauf spielst du an? Auf Lilith und ihren großartigen Plan?«
»Da du gerade Liliths Namen erwähnst, ich habe gehört, du hast dich schon lange nicht mehr bei ihr blicken lassen. Bestimmt vermisst sie bereits ihren Goldjungen. Warst du denn auch schön fleißig?« »Sie hat mir nichts zu sagen. Ich bin nur mir selbst verpflichtet.«
»Oho, hört, hört. Dir ist wohl entfallen, wer uns all die Jahre Unterschlupf gewährt hat. Man sollte schon wissen, welchem Herrn man dient.«
»Ja, das tun Hunde auch. Aber wenn man schon gefallen ist, sollte man aufpassen, dass man nicht noch tiefer stürzt.«
Abrupt stoppte Danel und drehte sich zu Sam um. In seinen nun pechschwarzen Augen loderte ein unnatürliches Feuer. »Pass auf, was du sagst, Samsaveel. Sonst könnte es dir und deiner Lieben noch sehr schlecht ergehen.«
»Wovon sprichst Du? Ich weiß nicht, wen du mit dieser Anspielung meinst.«
»Nun tu doch nicht so. Vor vier Tagen habe ich dich und deine kleine Freundin auf der Straße gesehen. Eure Verliebtheit hat so hell gestrahlt, das hätte auch einer dieser begriffsstutzigen, blinden Menschen bemerken können.«
»Lass sie aus dem Spiel, das hier geht nur uns beide etwas an. Oder hast du neuerdings Gefallen daran gefunden, schwachen Menschen weh zu tun?« Einen kurzen Moment glaubte Sam in Danels Augen so etwas wie Reue zu sehen, doch der Augenblick verflog und er sah nur noch blanken Hass.
Kate steuerte den Landrover mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die 34th Avenue. Wohin wollte sie eigentlich? Auf der linken Seite erschien das Empire State Building, das sich vor dem immer weiter grauschwarz verfärbenden Himmel deutlich abhob. Instinktiv ordnete sie sich rechts ein und bog mit quietschenden Reifen, das Glück bescherte ihr eine
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