Gottesstreiter
Ihnen allen war der Löwe, das Wappentier der Markvartice, eingebrannt. Dieser, wie auch schon zuvor der von der Decke
herunterhängende Wappenschild, erinnerte Reynevan an Prag. An den sechsten September. Und an Hynek von Kolštejn, der aus dem
Fenster des Hauses »Zum Elefanten« aufs Pflaster stürzte.
|264| Bevor man sich aber uneingeschränkt dem Abendessen widmen konnte, mussten, wie sich herausstellte, erst noch einige dienstliche
Angelegenheiten geregelt werden. Vier Hussiten stießen einen Gefangenen in den Saal, jenen Junker, den sie am Fluss ergriffen
hatten. Derselbe, dem Reynevan das Pferd unter dem Leib weggeschossen hatte.
Der junge Mann war zerzaust und zerlumpt, auf seiner Wange breitete sich ein großer blauer Fleck aus, der in immer prächtigeren
Farben schillerte. Jan Čapek von Sán maß die Häscher mit einem ziemlich verächtlichen Blick, sagte aber nichts. Er machte
nur ein Zeichen, dass sie den Gefangenen loslassen sollten. Der junge Ritter schüttelte ihre Hände ab, richtete sich auf und
blickte die Hussitenführer an. Nur scheinbar mutig, denn Reynevan bemerkte, dass seine Knie leicht zitterten.
Eine Weile herrschte Stille, begleitet vom leisen Surren des Spinnrades der Alten in der Ecke.
»Junker Nickel von Keuschburg«, sagte Jan Čapek. »Seid gegrüßt, wir freuen uns, Euch zu Gast zu haben. Unser Gast werdet Ihr
so lange sein, bis ein Packpferd mit dem Lösegeld hier eintrifft. Ihr wisst das wohl, Junker. Ihr kennt die Kriegssitten.«
»Ich diene Herrn Friedrich von Dohna!« Der Junker nahm Haltung an. »Herr von Dohna wird Lösegeld für mich zahlen.«
»Seid Ihr da so sicher?« Jan Kolúch von Vésce deutete, einen abgenagten Knochen in der Hand, auf ihn. »Ja, siehst du, uns
ist nämlich zu Ohren gekommen, dass du Barbara, Herrn Friedrichs Töchterlein, schöne Augen machst. Wer weiß, ob Herrn Friedrich
dieses Liebeswerben gefällt? Vielleicht reibt er sich gerade die Hände und ist froh, dass wir ihn von dir befreit haben? Bete,
Söhnchen, dass dem nicht so ist.«
Der junge Ritter war zuerst blass geworden, nun errötete er.
»Ich habe auch noch Verwandte!«, rief er. »Ich bin ein Keuschburg!«
»Dann bete für sie, dass der Geiz sie nicht anfallen möge. |265| Umsonst verköstigen werden wir dich hier nicht. Zumindest nicht lange.«
»Nicht lange«, bestätigte Jan Čapek. »Nur so lange, um zu sehen, ob du nicht doch klüger geworden bist. Vielleicht verachtest
du dann diese römische Posse und wendest dich dem wahren Glauben zu? Schneid keine Grimassen! Das ist schon Besseren als dir
geschehen. Herr Bohuslav von Švamberk, der Herr sei seiner Seele gnädig, hat von einem Tag auf den anderen sein Schicksal
gewendet und ist vom Gefangenen zum obersten Hetman von Tábor befördert worden. Als Bruder Žižka ihn gefangen nahm und im
Turm von Příběnice festsetzte, wurde Herr Bohuslav erleuchtet und hat den Kelch angenommen. Wir haben hier, wie du siehst,
einen Priester. Wie ist es? Soll ich einen Kelch bringen lassen?«
Der Junker spuckte auf den Boden.
»Steck dir deinen Kelch sonst wohin, du Häretiker!«, bellte er tapfer. »Du weißt schon, wohin!«
»Lästerer!«, schrie Priester Buzek, sprang auf und spritzte dabei sich selbst und seine Nachbarn mit Wein voll. »Auf den Scheiterhaufen
mit ihm! Lass ihn verbrennen, Bruder Čapek!«
»Ich soll Geld verbrennen lassen?« Jan Čapek von Sán lächelte sardonisch. »Du bist wohl betrunken, Bruder Buzek? Er ist mindestens
siebzig Schock Groschen wert. Solange auch nur der Schatten einer Chance besteht, dass sie für ihn Lösegeld zahlen, wird ihm
kein Haar gekrümmt. Selbst wenn er Meister Hus besessen nennt und als Sodomiten beschimpft. Habe ich Recht, Brüder?«
Die am Tisch versammelten Hussiten bestätigten dies nur zu gern, sie schrien und klopften mit ihren Humpen auf die Tischplatte.
Čapek gab der Wache ein Zeichen, den Gefangenen abzuführen. Pfarrer Buzek warf ihm einen schiefen Blick zu, dann goss er schnell
ein halbes Quart Ungarwein in sich hinein.
»Gierig seid ihr!«, rief er dann, und seine Zunge verhedderte sich immer mehr. »Auf den widerlichen Groschen, wie die ... |266| rülps ... die Pharisäer! Aber Pau ... Paulus schreibt an Timotheus: Habsucht ist die Wurzel aller Übel. Dem rennt ihr nach, einige haben sich schon verirrt,
weit weg vom ... rülps ... vom Glauben ... Aber der Gierige wird das Reich Christi und ... rülps
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