Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
più conoscenza,
    per occulta virtù che da lei mosse,
    d’antico amor sentì la gran potenza.
    Lange Zeit sagten beide kein Wort.
    »Amor?«,
fragte Reynevan schließlich. »Bist du sicher,
amor?«
    »Ich bin sicher, dass es eine
gran potenza
ist.«
    Sie ritten schweigend weiter.
    »Reinmar?«
    »Ja, Samson?«
    »Es ist höchste Zeit, dass ich in mein eigenes Ich zurückkehre. Verstärken wir unsere Bemühungen, ja?«
    »Gut, mein Freund. Wir werden unsere Bemühungen verstärken. Ich verspreche es dir. Ist da schon die Brücke? Ja, das ist wohl
     schon die Brücke.«
    Hufe hämmerten über die Dielen und Bretter, die Reiter ritten über eine Brücke, die sich über eine tiefe Schlucht spannte. |261| Von hier aus sah man, dass die Burg, das Ziel ihrer Fahrt, auf einem steilen Felshang stand, der jäh in den Fluss, wohl die
     Iser, hinabfiel. Hinter der Brücke befand sich ein massives Tor, dahinter ein geräumiger Burghof, und darüber erhob sich,
     von einem behäbigen Bergfried gekrönt, die Burg.
    »Wir sind zu Hause!«, rief Jan Čapek stimmgewaltig von der Spitze des Zuges her, als die Hufe über das Pflaster des Burghofs
     klapperten. »Auf Michalovice, also bei mir!«

|262| Achtes Kapitel
    in dem der Leser, außer dass er einige historische Persönlichkeiten kennen lernt und auch jene, die für den Fortgang der Geschichte
     wichtig sind, nicht viel mehr erfährt, als dass man einen jeden Vogel an seinem Gesang erkennt. Die wichtigste von den hier
     gelieferten Informationen ist wohl die, wer von den gekrönten Häuptern und prominenten Adeligen im Jahre 1353 ein damals junges
     Mädchen, heute ein altes Weib, gevögelt hat.
     
    Reynevan und Scharley wurden zum Abendessen gebeten. Berengar Tauler lag trotz aller ärztlicher Bemühungen immer noch bewusstlos
     danieder, und Amadeus Bata hatte erklärt, bei ihm wachen zu wollen. Samson hatte sich wie gewöhnlich im Stall einquartiert.
     Wie immer würfelte er dort mit den Pferdeknechten, die dachten, einen Tölpel im Spiel leicht um sein Geld bringen zu können.
     Wer im Endeffekt wen spielend um sein Geld erleichterte, bedarf wohl keiner Erwähnung.
    Das Abendessen wurde im großen Saal der oberen Burg gereicht, der mit einer hölzernen Figur des Erzengels Michael, einem Wandteppich
     mit einem Einhorn und einem von der Decke herabhängenden riesigen roten Wappenschild geschmückt war, auf dem ein aufrecht
     stehender silberner Löwe prangte. Hinten prasselte das Feuer im Kamin, und in der Ecke am Kamin saß eine Alte gebeugt auf
     einem Schemel, ganz in ihr Tun am Spinnrad, am Spinnrocken und mit der fröhlich auf und ab hüpfenden Spindel vertieft.
    Die hussitischen Hauptleute aus Burg und Umgebung, die durch Zufall auf der Burg weilten, nahmen ebenfalls an diesem |263| Essen teil. Außer Jan Čapek von Sán und Brázda von Klinštejn saß ein hoch gewachsener, hagerer Mann mit am Tisch, mit einer
     Adlernase und bösen, bohrenden Augen und mit einer massiven Goldkette um den Hals, ein Schmuckstück, das eher zu einem Ratsherrn
     denn zu einem Krieger passte. Reynevan kannte ihn, er hatte ihn schon bei den Waisen von Hradec Králové gesehen. Aber erst
     jetzt wurden sie einander vorgestellt – das war Jan Kolúch von Vésce. Links neben Kolúch saß Stephan Tlach, der Hauptmann
     der Feldwache im nahe gelegenen Český Dub, ein noch junger, aber schon recht stark ergrauter Mann mit rotem Plebejergesicht
     und schweren Tischlerhänden, der ein wattiertes, reich besticktes Ritterwams trug, in dem er sich sichtlich unwohl fühlte.
     Neben Tlach saß ein schmächtiger Blondschopf mit einer hässlichen Narbe auf der Wange. Die Narbe verlieh ihm ein kriegerisches
     Aussehen, war aber nur das Relikt eines gewöhnlichen, dilettantisch aufgeschnittenen Geschwürs. Der Träger der Narbe stellte
     sich als Vojta Jelínek vor.
    Da dies bei den Waisen Brauch war, durfte am Tisch der Hauptleute auch ein Geistlicher nicht fehlen, zwischen Čapek und Brázda
     saß denn auch ein schwarz gekleideter, rundlicher, bärtiger, kleiner Mann, der als Bruder Buzek, Diener Gottes, vorgestellt
     wurde. Der Gottesdiener hatte sein Abendessen wohl schon etwas früher begonnen, denn er war bereits einigermaßen betrunken.
    Delikatessen wurden nicht serviert. Große Schüsseln mit Hammel- und Ochsenfleisch mit Knochen wurden lediglich durch große
     Mengen von gebackenen Rübchen und einen Korb mit Brot ergänzt. Hingegen kamen sogleich einige Fässchen mit Ungarwein auf den
     Tisch.

Weitere Kostenlose Bücher