Gottesstreiter
Anführer hatte ein Kreuz auf der Rüstung, auf dem Schild |258| dagegen Klammern oder Spangen ... Schwarze, auf silbernem Feld ...«
»Das habe ich mir gedacht.« Jan Čapek von Sán verzog das Gesicht. »Bohuš von Kováně, der Herr auf Frýdštejn. Ein Räuber und
Verräter! Ach, schade, dass der es geschafft hat, zu entkommen ... Die Haut hätte ich ihm ... Aber was macht ihr denn hier? Wo kommt ihr auf einmal her? He? Bruder Scharley?«
»Wir machen eine Reise.«
»Ihr macht eine Reise«, wiederholte Čapek spöttisch. »Na, da habt ihr ja Glück gehabt. Wenn wir nicht rechtzeitig gekommen
wären, hätte die letzte Etappe eurer Reise am Strang geendet. An einem geraden Strick an einem Ast. Herr Bohuš liebt es, die
Bäume mit Gehenkten zu schmücken. Wir haben so manche Rechnung mit ihm zu begleichen, so manche ...«
»Jener Herr Bohuš«, Reynevan fiel plötzlich etwas ein, »beschäftigt der sich etwa mit Menschenhandel? Mit Sklavenhandel? Ist
der etwa, wie man so sagt, ein Martahúz?«
»Seltsame Bezeichnung.« Der Hauptmann der Waisen runzelte die Stirn. »Bohuš von Kováně ist scharf auf Leute unseres Glaubens,
oh, reichlich scharf. Wenn er sie lebendig fängt, knüpft er sie am nächsten Baum auf. Wenn er einen von unseren Geistlichen
erwischt, nimmt er ihn mit und verbrennt ihn auf dem Scheiterhaufen. Öffentlich. Zur Abschreckung. Aber von Sklaven habe ich
noch nichts gehört. Ihr aber, wie gesagt, habt Glück gehabt. Ihr seid mit einem blauen Auge davongekommen.«
»Nicht alle.«
»So ist das Leben.« Čapek spuckte aus. »Gleich werden wir einen Grabhügel aufschütten. Den wievielten wohl? Ach, die böhmische
Erde ist voll von Grabhügeln und Gräbern, es fehlt bald der Platz dafür ... Und der hier? Ist der auch tot?«
»Er lebt«, antwortete Amadeus Bata, der mit Samson neben Tauler kniete. »Aber sobald er die Augen aufmacht, fallen sie ihm
wieder zu ...«
|259| »Ein Pferd hat ihn getreten.«
»Was soll’s«, seufzte Čapek, »mancher hat eben ausgesprochenes Pech. Aber wir haben keinen Quacksalber dabei.«
»Haben wir.« Reynevan nahm seine Tasche. »Lasst mich zu ihm.«
Obwohl ihm das für gewöhnlich nicht passierte, schlief Reynevan im Sattel ein. Er wäre heruntergefallen, hätte ihn der neben
ihm reitende Samson nicht festgehalten.
»Wo sind wir?«
»Fast am Ziel. Man kann schon die Schlosstürme sehen.«
»Was für ein Schloss?«
»Eins, das uns wohlgesinnt ist, denke ich.«
»Was ist mit Tauler? Wo ist Scharley?«
»Scharley reitet vorn mit Čapek und Brázda. Tauler ist ohnmächtig. Sie transportieren ihn auf einer Trage zwischen zwei Pferden.
Bleib wach, Reinmar. Jetzt ist nicht die Zeit zum Dösen.«
»Ich döse ja gar nicht. Ich wollte ... Ich wollte dich etwas fragen, Freund Samson.«
»So frage, Freund Reinmar.«
»Warum bist du in der Spielhölle eigentlich dazwischengegangen? Warum hast du dich für dieses Mädchen eingesetzt? Bitte, fertige
mich nicht mit hohlen Phrasen ab. Nenn mir den wahren Grund.«
»Befand ich mich in einem dunklen Wald ...«, antwortete ihm der Riese, ein Zitat verwendend. »Was für ein prophetischer Satz. Als hätte Meister Alighieri gespürt,
dass ich mich einst in einer Welt wiederfinden würde, in der man sich nur mit Lügen oder Halbwahrheiten behelfen kann, die
Wahrheit wird als Phrase angesehen. Du möchtest den wahren Grund erfahren, sagst du. Warum gerade jetzt? Bisher hast du nie
nach den Motiven meiner Handlungen gefragt.«
»Bisher waren sie für mich verständlich.«
»Wirklich? Dann beneide ich dich, denn einige sind auch für |260| mich selbst unverständlich. Und ich verstehe sie auch weiterhin nicht. Der Zwischenfall mit Marketka passt in dieses Schema.
In gewissem Maße. Denn es gibt natürlich auch andere Gründe. Es tut mit leid, aber ich kann sie dir nicht nennen. Sie sind
primo
zu persönlich,
secundo
würdest du sie nicht verstehen.«
»Weil sie nicht zu verstehen sind, na klar. Aus einer anderen Welt sind. Könnte hier nicht Dante zu verstehen helfen?«
»Dante hilft bei allem.« Der Riese lächelte. »Also gut. Wenn du wissen willst ... In der Spielhölle, während dieses hässlichen Auftritts, hat meinen Geist ein Sehnen erfasst.«
»Hmm ... Vielleicht ein bisschen mehr?«
»Mit Vergnügen.«
E lo spirito mio, che già cotanto
tempo era stato ch’a la sua presenza
non era di stupor, tremando, affranto,
senza de li occhi aver
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