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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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münden. Selbst bei völliger Orientierungslosigkeit verhindert
     der Weg am Bach entlang, dass man sich im Kreis bewegt. An Bächen liegen Dörfer, in der Nähe von Bächen haben Köhler, Teersieder
     und Holzfäller ihre Hütten.
    Diese letzten Überlegungen über den Vorteil, den Bäche boten, stellte er an, nachdem er losgelaufen war.
     
    Er ging sehr schnell, so schnell, wie das unwegsame Gelände es ihm erlaubte. Er wurde müde und keuchte, aber ihm war so warm
     geworden, dass die feuchte Kleidung an seinem Körper dampfte und ihn die Kälte nicht mehr so empfindlich wie zuvor fühlen
     ließ. Obwohl er schon ein gutes Stück Wegs hinter sich gebracht hatte, hatte er am Bach bisher keinerlei Spuren gefunden,
     von den schmalen Pfaden, welche die Rehe getreten, und den brackigen Pfützen, in denen sich Wildschweine gesuhlt hatten, einmal
     abgesehen.
    |330| Es bewölkte sich immer mehr, wie er es vorausgesehen hatte, und leichter Schneefall setzte ein.
    Plötzlich hellte sich das Dunkel des Waldes auf, und hinter den Ahornbäumen am Rande einer Lichtung erblickte Reynevan die
     Umrisse hölzerner Häuser. Unter Herzklopfen beschleunigte er seine Schritte, die Lichtung durchquerte er fast im Laufschritt.
     Die Holzhäuser erwiesen sich als rindengedeckte Hütten, der überwiegende Teil davon war zerfallen. Es hatte keinen Zweck,
     dort hineinzusehen. Einstige Spuren menschlichen Lebens waren längst von Gras und Unkraut überwuchert. Das Sägemehl und die
     Hobelspäne, die überall herumlagen, waren schwarz geworden und rochen nicht einmal mehr nach Harz. Eine in einem Hackklotz
     steckende Axt war rot vom Rost. Die Holzfäller, denen die Hütten sicherlich gehört hatten, mussten die Lichtung bereits vor
     Jahren verlassen haben.
    »Ist hier jemand?« Reynevan wollte sichergehen. »Hee! Heeeee!«
    Hinter ihm raschelte es. Er drehte sich rasch um, dennoch konnte er nur noch aus den Augenwinkeln heraus sehen, dass etwas
     hinter einer zerfallenen Hütte verschwand. Dieses Etwas war klein. Etwa so groß wie ein Kind.
    »He!« Er machte einen Satz in diese Richtung. »Bleib stehen! Warte doch! Hab keine Angst!«
    Das kleine Wesen war jedoch kein Kind. Kinder sind nicht mit Fell bedeckt und haben keine Hundeköpfe. Auch keine Arme, die
     bis zum Boden reichen. Sie laufen auch nicht in seltsamen Sprüngen davon, dabei von einem kurzen Beinchen zum anderen dahinwackelnd
     und lauthals quakend. Reynevan rannte hinterher. Hielt auf eine Lücke in der Wand des Waldes zu, die einen Pfad ankündigte.
     Und einen Weg. Als er auf den Weg gelangte, blieb das haarige Wesen stehen. Drehte sich um. Riss die Augen auf. Und fletschte
     seine Hundezähne.
    »Hab keine Angst«, Reynevan keuchte, »ich tu dir nichts   ...«
    |331| Das Geschöpf – ein Kobold, ein Waldschrat – übertönte ihn mit einem lauten Quaken, das irgendwie spöttisch klang. Ein ganzer
     Chor antwortete ihm mit ähnlichem Quaken. Es kam von allen Seiten. Bevor Reynevan sich klar darüber werden konnte, in was
     er da hineingeraten war, hatten sich schon an die zwanzig dieser Geschöpfe auf ihn gestürzt.
    Einem versetzte er einen Tritt, einem anderen einen Fausthieb, dann fand er sich selbst am Boden wieder. Die Kobolde saßen
     auf ihm wie Läuse. Reynevan schrie, trat um sich, wand sich hin und her, teilte blindlings Hiebe aus, biss sogar zu, leider
     vergebens. Sobald er es geschafft hatte, einen abzuschütteln, fielen ihn die nächsten beiden an. Die Situation begann langsam
     bedrohlich zu werden. Plötzlich schlug ihm ein Kobold seine Krallen in die Haare und in die Ohren, ein anderer setzte sich
     auf sein Gesicht und drückte ihm mit seinem haarigen Hintern Mund und Nase zu. Er bekam keine Luft mehr, Angst stieg in ihm
     hoch. Er spürte, wie Zähne in seine Waden und Schenkel schlugen. Er strampelte hilflos, die Kobolde hingen an seinen Beinen
     und ließen sich nicht abschütteln. Reynevan riss seinen Kopf unter dem behaarten Gesäß hervor und schrie auf. Bestialisch
     und unmenschlich.
    Und wie im Märchen kam sofort Hilfe herbei. Auf dem Weg erschollen plötzlich Rufe, Wiehern und Hufschlag. Der Kobold, der
     auf ihm gehockt hatte, war wie weggewischt, auch das Gewicht an seinen Beinen war verschwunden. Reynevan sah den Bauch eines
     Pferdes über sich und einen Sabaton im Steigbügel, er sah kurz ein blinkendes Schwert und dann, wie aus einem abgeschlagenen
     Hundekopf das Blut troff. Daneben wand sich ein zweiter Waldschrat, mit einem

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