Gottesstreiter
Hand wäre das
Bäuerlein beinahe in Ohnmacht gefallen, es öffnete den Mund, und einen Moment sah es so aus, als würde es in Tränen ausbrechen.
Aber es beherrschte sich schnell.
»Bitte scheen«, keuchte es, während es das Geld unter seinen Kittel schob, »kummt zu Tisch ...«
»Die, die hier angeblich durchgeritten sind, könnten die schwarzen Reiter sein, die Todesrotte.« Janko Schaff scheuchte ein
Huhn vom Tisch. »Es könnten aber auch Bibersteins Leute gewesen sein. Oder welche von Troský, Leute von de Bergow ... Die hat der Teufel geschickt. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie so hartnäckig sind. Dass ihnen so viel an dir
liegt, Bielau ...«
»Wenn sie uns ... wenn sie uns in die Quere kommen, was Gott verhüten möge ...«, Werner Dorfinger, einer von Schaffs Burgmannen, warf Reynevan einen finsteren Blick zu, »werden wir uns dann um ihn
schlagen, oder wie?«
Sie hatten sich so mit in Schmalz herausgebratenen Schweineschnitzeln voll gestopft, dass sie sich kaum rühren konnten, eine
Zeit lang schien es, als bekämen sie keinen Bissen mehr herunter. Bis zu dem Augenblick, als die Bäuerin die gekochten
jitrnice
, also Leberwürste, Blutwürste und Grützwürste |344| aus dem Kessel herauszunehmen begann. Kaum waren diese ein wenig abgekühlt, als sich auch schon alle wie die Wölfe darauf
stürzten.
»Lieber Gott ...«, Dorfinger schnallte seinen Gürtel abermals um zwei Löcher weiter. »Solche
jitrnice
habe ich schon lange nicht mehr gegessen ... Ha, ich ess noch was, aber erst muss ich mal hinter die Scheune.«
»Wirf deinen Pelz über«, riet ihm Ralf Moser, der zweite der Burgmannen von Kynast, der gerade eben aus dem Schatten heraustrat
und den Schnee von Kappe und Kragen schüttelte. »Es schneit draußen. Und es bläst, als hätte sich einer erhängt.«
»Stimmt doch auch«, lachte Schaff. »Zwicker hat sich erhängt. Dass er es nicht freiwillig getan hat, kann der Wind nicht wissen.«
»Der Pfaffe ...«, Moser verschluckte sich an dem Qualm und dem Rauch und musste husten, »der Pfaffe schadet uns noch aus dem Grab heraus ...«
»Er hilft uns eher«, widersprach ihm Guido Buschbach und versetzte einem aufdringlichen Ziegenbock, der versuchte, seinen
Stiefelschaft anzuknabbern, einen Tritt. »Denn wenn uns jemand Paroli bieten will, kommt er schnell darauf, welchen Weg wir
nehmen. Sie können uns bei der Alm am Reifträger auflauern. Sie können bei Bräuerhausens Steinen auf uns warten. Sie können
versuchen, uns an der oberen Kochel zu erwischen, bevor wir ins Tal des Heidewassers hinunterreiten ... Aber bei dem Schneegestöber und bei diesem Wind könnten wir, geb’s Gott, vielleicht durchschlüpfen ... Gebt mir mal noch so eine Wurst her ...«
»Gebt mir auch noch eine! Beim heiligen Mauritius, dem Patron der Ritter ... Himmel, schmeckt das gut! Mehr sind nicht da?«
»‘s hot schu noch welche, Junker!«
»Hier hast du noch Geld, guter Mann ... He! Du, Bielau, wohin willst du?«
»Ich muss hinter die Scheune.«
|345| »Geh mit ihm, Moser. Damit ihm ja keine Dummheiten in den Kopf kommen.«
»Ich bin gerade erst aus der Kälte wieder hereingekommen«, protestierte der Burgmann. »Wohin sollte er denn fliehen? Im Winter,
im Schneesturm? Inmitten von Wölfen und Monstern? Ins eigene Verderben rennen? Der ist doch kein Dummkopf!«
»Beweg dich, habe ich gesagt!«
Schneesturm hin, Schneesturm her, Wölfe hin, Wölfe her, Reynevan achtete nicht darauf. Er musste fliehen, und dies war seine
einzige Chance. Jetzt, in der Nacht, wo Schaff und seine Leute voll gefressen, faul und schläfrig waren. Während Moser in
dem dunklen Gang noch einige Worte und grobe Scherze mit dem zurückkehrenden Dorfinger austauschte, schnappte sich Reynevan
seinen Pelz. Und ein schweres Gewicht von der Waage, die dort stand.
Der Hof empfing sie mit Kälte und Schneegestöber. Und mit Dunkelheit. Sie mussten sich den Weg fast bis hinter die Scheune
entlangtasten.
»Gib Acht«, sagte Moser, der vorausging. »Hier liegt irgendwo ein Pflug herum ...«
Er stolperte und schlug mit Getöse hin. Als er, die ganze Welt verfluchend, wieder auf allen vieren war, hatte Reynevan die
Hand mit dem schweren Gewicht erhoben, willens, es dem armen Kerl auf den Hinterkopf zu hauen. In diesem Augenblick aber huschten
an dem schneebedeckten Misthaufen flinke Schatten vorüber, war ein dumpfer Schlag zu hören, Moser stöhnte
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