Gottesstreiter
Riesengebirges, es stand also zu vermuten, dass der Trupp auf einen der Pässe zuhielt. Reynevan kannte aber die
Gegend zu wenig, um ausmachen zu können, um welchen es sich handelte.
Wie bereits erwähnt, kannte er zwar das Riesengebirge und die Umgebung kaum, aber Berichte über die Burg Kynast waren ihm
doch schon zu Ohren gekommen. Er wusste genug über Kynast, um sich Sorgen zu machen. Jene uralte, legendenumwobene Wehrburg
stand auf dem Gipfel eines hohen und steilen Berges, der sich über einem schier bodenlosen und mit menschlichen Knochen angefüllten
Abgrund erhob, den man bezeichnenderweise das Höllental nannte. Die neue, steinerne |339| Burg, welche die Piasten von Schweidnitz und Jauer errichtet hatten, hatte vor über fünfzig Jahren der berühmte Gottsche Schaff,
der Burggraf von Hirschberg, übernommen und seinem ohnehin schon reichen Grundbesitz eingegliedert. Von ihm hatte sein Sohn
Janko die Burg geerbt. Sein zweiter Sohn, Gottsche junior, saß auf der nahe gelegenen Burg Greifenstein. Die Brüder herrschten
einträchtig über dieses Gebiet, zu dem auch ein Teil des wichtigen Handelsweges gehörte, der am Ufer des Bober entlangführte.
Für die Genealogie und die Besitztümer der Schaffs brachte Reynevan kein großes Interesse auf. Anders sah es mit Burg Kynast
aus. Die Horrorgeschichten über die Wehrburg konnte man wohl getrost ins Reich der Märchen verweisen, dennoch war eines nur
zu wahr: Kynast war eine Wehrburg, in die man nur sehr schwer hinein-, aus der man aber noch viel schwerer wieder herauskam.
Wenn die Flucht glücken sollte, dann musste es jetzt sein, unterwegs, sofort.
Dafür sprach auch noch etwas anderes, etwas Wichtiges.
Der gefrorene Boden auf dem Weg war zerstampft, das Moos am Rande der Lichtung von vielen Hufen zertreten. Schaffs Bewaffnete
bildeten einen Kreis und blickten, die Hand am Schwertknauf, suchend umher. Die Schützen spannten ihre Armbrüste und beobachteten
aufmerksam den Weg und den Waldrand.
»Hier hat es einen Kampf gegeben«, urteilte Guido Buschbach, ein kleiner, gedrungener, schon älterer Lanzenknecht, die Vorhut
und der Kundschafter des Zuges. »An die dreißig Pferde. Sie haben miteinander gekämpft, dann sind sie weggeritten. Gestern,
den Pferdeäpfeln nach zu schließen.«
»Wer hat mit wem gekämpft?«, fragte Schaff. »Gibt es Spuren?«
»Nur dies hier.« Buschbach zuckte mit den Achseln. »Es hing an einem Baumstamm. Das hat wohl nicht viel zu sagen.«
»Hat es sehr wohl«, sagte Reynevan, der beim Anblick des |340| schwarzen Stofffetzens blass geworden war, entschlossen. »Es hat uns bereits etwas gesagt. Ich weiß, wer solche Mäntel trägt.«
»Also, worauf wartest du dann? Los, rede!«
»Es wird Euch Schwierigkeiten bereiten, mir dies zu glauben.«
»Überlass das mir.«
Janko Schaff hörte sich die Erzählung vom Mauerläufer und den schwarzen Reitern aufmerksam und mit gerunzelter Stirn an. Obwohl
Reynevan seinen Bericht in gekürzter und auf ihn zugeschnittener Form darbot, hatte der Herr auf Kynast kein Problem damit.
Reynevan bemerkte, wie seine Augen mehrmals aufblitzten, was bedeuten konnte, dass der Ritter über die schwarzen Reiter und
die ermordeten Kaufleute sowie über den nächtlichen Schrecken, den Dämon, der am Mittag tötet, und von anderen wundersamen
Dingen, die sich im neunzigsten Psalm finden, schon das eine oder andere gehört hatte.
»Die Todesrotte«, brummte er, »Reiter auf schwarzen Pferden. Das heißt dieselben, mit denen der Pfaffe gedroht hat. Sie haben
hier jemanden überfallen. Ich möchte gerne wissen, wen.«
»Angeblich hat Herr de Bergow Verfolger ausgesandt«, sagte Reynevan unwillkürlich, »Herr Biberstein auch ...«
»Ich weiß«, unterbrach ihn Schaff. »Die Jäger sind hinter dir her. Und Grellenort und seine schwarzen Reiter sind hinter den
Jägern her. Um ihnen die Beute abzunehmen. Du bist ihr Ziel. Um dich geht es ihnen.«
»Zweifellos. Daher denke ich ...«
»Dass ich dich freilassen sollte?« Der Erbe von Kynast lachte wie ein Wolf. »Aus Sorge um meine Sicherheit? Ein netter kleiner
Versuch, Bielau, ein netter kleiner Versuch. Aber so eine Nummer zieht bei mir nicht.«
»Dann gebt wenigstens gut auf Euch Acht ...«
|341| »Fang nicht an, mich zu belehren.«
Diese Angelegenheit hatte schlimme Folgen für Pater Zwicker. Als man ihn Schaff vorführte und dieser ihn mit Fragen überschüttete,
biss der Geistliche die
Weitere Kostenlose Bücher