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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Zähne zusammen und sagte keinen Ton. Auch dann nicht, als er ein paar Schläge ins Gesicht bekam.
    »Bielau!« Schaff winkte ihn zu sich. »Du hast bewiesen, dass du dich mit Magie auskennst. Also rede: Ist es möglich, dass
     es der Pfaffe, obwohl er gefesselt ist, schafft, uns mit ein paar Zaubersprüchen Grellenort auf den Hals zu hetzen?«
    Reynevan breitete die Arme aus und zuckte mit den Achseln. Aber Schaff genügte dies. Ein Strick wurde über einen waagerechten
     Ast geworfen, und bevor man noch ein Ave-Maria hätte beten können, hing Kaplan Zwicker schon am Strick und zuckte krampfhaft
     mit den Füßen, was der ganze Zug gleichmütig mit ansah.
    »Man wird nach einiger Zeit noch einmal hier vorbeikommen müssen«, meinte Guido Buschbach. »Der Pfaffe hat sich bepisst, habt
     ihr gesehen? Da dauert es nicht lange, und an dieser Stelle hier wächst eine Mandragora.«
     
    Man musste Schaff wahrlich nicht darüber belehren, wie er sich in einer bedrohlichen Situation zu verhalten hatte. Sie bewegten
     sich immer noch auf Waldpfaden vorwärts, sichtlich bemüht, befahrenere Wege zu meiden. Sie ritten langsam, ihnen die ganze
     Zeit voraus eine Vorhut, bestehend aus Guido Buschbach und einem Armbrustschützen. Und schließlich befahl der Herr auf Kynast
     strikt, Ruhe und Wachsamkeit zu üben. Der Trupp gab sich derart martialisch, dass Reynevan beinahe seine Angst vor dem Mauerläufer
     vergaß und sich nicht mehr im Sattel duckte, sobald ein Vogel ihnen über den Weg flog oder schrie.
    Aber jede Münze hat zwei Seiten. Angesichts dieser Wachsamkeit war an eine Flucht nicht einmal zu denken.
    Dennoch dachte Reynevan unablässig daran.
    |342| Ihr erstes Nachtlager errichteten sie nahe bei einer verlassenen Erzbergbausiedlung, in der den Sommer über Erz gefördert
     und geschmolzen wurde. Als zweiten nächtlichen Ruheplatz wählte Guido Buschbach, kurz nachdem sie ein Flüsschen durchquert
     hatten, das er Mummel nannte, ein kleines Goralendörfchen, von der Welt vollkommen abgeschnitten und geborgen in einer tiefen
     Schlucht, die Mummeltal hieß. Reynevan entnahm diesen Namen einem Gespräch Schaffs mit dem Dorfältesten, einem Graukopf, der
     behaart war wie ein Vielfraß. Der Vielfraß war sehr erschrocken, ja, er geriet beinahe in Panik, so sehr, dass sich Schaff
     erbarmte. Statt nach Ritterart herumzuschreien und um sich zu treten, entschied er sich, die Rolle des gütigen und großzügigen
     Herrn zu spielen. Nachdem der Vielfraß eine Hand voll kleiner Münzen in Empfang genommen hatte, ging in seinem Gesicht die
     Sonne auf, und er strahlte so über beide Backen, dass man Angst bekommen konnte. Augenblicklich bat er den Ritter in sein
     Bauernhaus, auf dem Weg dorthin gestand er stotternd, warum er derart ängstlich und das ganze Dörfchen so sehr erschrocken
     war.
    »Hier sind«, erklärte er, »erscht vur kurzem sehr gefääährliche Herren durchgeritten, sehr gefäährlich«, sehr beritten und
     sehr bewaffnet. Mehrmals seien sie durchgeritten, »un die worn suu   ... u-hu-hu, ’s Herrgöttl mög uns schitzen!« Um zu klären, wann genau diese schrecklichen Reiter aufgetaucht waren, brauchte
     es einige Zeit, schließlich aber kam heraus, dass es vorgestern Nacht und gestern im Morgengrauen gewesen war. Zu beschreiben,
     wie denn die Reiter ausgesehen und welche Farbe ihre Kleider gehabt hätten, überstieg allerdings die Möglichkeiten des Bergbauern.
    Schaffs Stirn umwölkte sich, er kaute auf seinem Schnurrbart – aber plötzlich besserte sich seine Laune. Bei allen besserte
     sie sich. Denn vom Haus des Vielfraßes her verbreitete sich ein so lieblicher, ein so göttlicher und köstlicher Geruch, etwas
     so heimatlich Berührendes, rührend Mütterliches, es war |343| ein wunderbarer, unvergessener Duft, der sich tief ins Gedächtnis eingegraben hatte und sich mit allem verband, was lieb,
     gut und fröhlich war, einer, der so war, dass man sich nur noch hinsetzen und vor Glück weinen konnte. Mit anderen Worten
     und kurz und bündig: Aus der Hütte kroch der Wohlgeruch von ausgelassenem Schmalz und gebratenen Zwiebeln und Fleisch. Schaff,
     seinem Trupp und Reynevan lief das Wasser sowohl aus den Augen als auch – mit der Kraft einer Sturzflut – im Munde zusammen.
    »Mir hom een Schwein geschlacht«, erklärte der Vielfraß. »’s ist die Johreszeit dafier, Herr   ...«
    Der Herr auf Kynast ließ ihn nicht ausreden. Er griff in seine Geldtasche. Beim Anblick der Münzen in seiner

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