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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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haben musste. »Mich muss wohl der Teufel geritten haben, an jenem Tag, an Mariä Geburt, nach
     Münsterberg zum Turnier zu reiten. Da hatte der Teufel seine Hand im Spiel, zweifellos. Wären die höllischen Mächte nicht
     gewesen, es wäre wohl nie zu all dem Unglück gekommen. Ich hätte nie von dir gehört. Ich hätte nicht gewusst, dass es dich
     überhaupt gibt. Und ich müsste mir nicht so viel Mühe geben, damit du endlich aufhörst zu sein.«
    Er schwieg eine Weile. Reynevan verhielt sich still. Er atmete ganz leise.
    »Die einen sagen«, fuhr Biberstein fort, »dass du meine Tochter aus Rache ins Unglück gestürzt hast, wegen irgendeiner Feindschaft,
     die du gegen mich hegst. Der Bischof von Breslau, der dieser Angelegenheit seine Aufmerksamkeit zu schenken geruht hat, meint,
     dies sei aus deiner hussitischen und ketzerischen Haltung heraus geschehen, um mich als Katholiken zu treffen. Herzog Johann
     von Münsterberg allerdings behauptet, du seiest ein degenerierter Mensch, und dies sei der Ausdruck deiner verbrecherischen
     Natur. Es geht auch das Gerücht, du seist mit dem Teufel im Bunde, und der suche dir deine Opfer aus. Mir ist das, ehrlich
     gesagt, einerlei, aber aus purer Neugier: Was davon ist wahr? Antworte, wenn ich dich frage!«
    Reynevan merkte plötzlich, dass er den Wortlaut seiner einstudierten Verteidigungsrede, die er sich eigens für diesen Anlass
     zuvor zurechtgelegt hatte und welche die berühmte Rede des Sokrates noch übertreffen sollte, völlig vergessen hatte. Er bemerkte
     es mit Schrecken.
    |405| »Ich denke nicht daran   ...«, er legte alle Kraft in seine Worte, um seiner Stimme wenigstens Klang zu verleihen, »ich denke nicht daran, zu lügen
     oder mich reinwaschen zu wollen. Ich übernehme die Verantwortung für   ... Für alles, was geschehen ist. Und für die Folgen   ... Fräulein Katharina und ich   ... Herr Johann, es ist wahr, ich habe gefehlt. Aber ich bin kein Verbrecher, man hat mich übel beleumundet vor Euch. In dem,
     was zwischen Fräulein Katharina und mir gewesen ist   ... Darin lag keine böse Absicht, ich schwöre es beim Grab meiner Mutter, keine böse Absicht und kein Vorbedacht. Der Zufall
     wollte es   ...«
    »Der Zufall«, wiederholte Biberstein langsam. »Lass mich raten: Du kommst so ohne böse Absicht daher, gehst, sagen wir mal,
     von der Schenke nach Hause. Die Nacht ist finster, man sieht die Hand vor Augen nicht. In der Dunkelheit trifft völlig zufällig
     meine Tochter auf dich, und rein zufällig bleibt sie an dem Schwänzchen hängen, das dir, rein zufällig, aus dem Hosenlatz
     ragt. War’s so? Denn wenn es so war, dann bist du in meinen Augen schuldlos.«
    »Ich bin bereit   ...«, Reynevan atmete tief durch, »Euch Genugtuung zu geben   ...«
    »Das ehrt dich, dass du dazu bereit bist. Denn du wirst mir Genugtuung leisten. Und zwar noch heute.«
    »Ich bin bereit, Fräulein Katharina zur Frau zu nehmen.«
    »Ha!« Biberstein wandte sich zur Grünen Dame, die anscheinend ganz in die Betrachtung ihrer Fingernägel vertieft war. »Habt
     Ihr das gehört, Frau Mundschenk? Er ist bereit, sie zur Frau zu nehmen! Und ich soll wohl auf dieses
dictum
hin in Jubel ausbrechen? Darüber, dass der Bankert einen Vater bekommt und das Käthchen einen Ehemann? Hat ihm denn keiner
     die Situation erklärt? Dass ich nur mit dem Finger zu schnippen brauche, und schon stellen sich vierzig Kandidaten dafür in
     einer Reihe auf? Dass ich, Biberstein, Ehemänner für meine Tochter wie reife Birnen auswählen kann? Hör gut zu, du Schlingel.
     Als Ehemann für mein Käthchen erfüllst du die |406| Bedingungen nicht. Du hast einen üblen Ruf. Du bist ein Häretiker. Und wenn das noch nicht genügt – du bist ein kompletter
     Habenichts! Ein Bettler. Ja, ja, Johann von Münsterberg hat euch Bielauern das gesamte väterliche Erbe konfisziert. Wegen
     Verrats und Ketzerei.«
    »Aber vor allem ist hier ein Exempel vonnöten!« Der Herr auf Stolz hob die Stimme. »Ein deutliches! Eines, von dem überall
     in Schlesien die Rede sein wird. Eines, an das man sich gut erinnert. Wenn es an Exempeln für Schrecken fehlt und Verbrechen
     ungesühnt bleiben, demoralisiert das die Leute. Habe ich Recht?«
    Niemand widersprach. Johann von Biberstein trat näher und sah Reynevan direkt in die Augen.
    »Ich habe mir lange überlegt, was ich mit dir mache, wenn ich dich in die Hände bekomme«, sagte er sehr ruhig. »Ich habe das
     auch ein bisschen studiert. Ohne

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