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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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schreit, dass er
     unschuldig sei? Jeder Vergewaltiger würde das schreien. Und wer würde ihm glauben?«
    |399| »Du bist so wahrhaft und so aus tiefster Seele aufgebracht, dass ich dir beinahe glaube!«
    »Beinahe?«
    »Beinahe.«
    Sie trieb ihre Stute an und ritt nach vorn. Dann wartete sie auf ihn. Sie sah ihn mit einem Lächeln an, das er nicht deuten
     konnte.
    »Vor uns liegt Faulbrück.« Sie deutete auf einen Kirchturm, der hinter dem Wald hervorlugte. »Hier halten wir. Ich bin hungrig.
     Und durstig. Auch dir, Reinmar, wird ein Glas gut tun,
carpe diem
, mein Junge,
carpe diem,
wer weiß, was der morgige Tag bringt. Wir fahren zur Ops, wie mein Verwandter Zawisza z Kurozw ęk, der Bischof von Krakau,
     zu sagen pflegte. Du wunderst dich? Ich stamme von den großpolnischen Toporczyks ab, musst du wissen, und die Toporczyks sind
     mit den Różycs verwandt. Gib deinem Pferd die Sporen, mein kleiner Ritter. Wir fahren zur Ops!«
     
    In den Entschiedenheit zum Ausdruck bringenden Gesten der Grünen Dame, in der Art, wie sie den Kopf hielt, verwegen und natürlich
     zugleich, und besonders in ihrer Art zu trinken, anmutig und rückhaltlos ihren Becher zu leeren, in all dem lag tatsächlich
     etwas, das an Zawisza z Kurozw ęk erinnerte. Was die Verwandtschaft mit ihm anbelangte, da hatte die Grüne Dame wohl ein bisschen
     geflunkert, Reynevan hegte leise Zweifel. Den Topor, die Streitaxt, führten in Polen gut und gerne fünfhundert Familien in
     Petschaft und Wappen, und sie alle konnten, wie das in Polen nun mal so geht, die unterschiedlichsten Verwandtschaftsverhältnisse
     vorweisen. Die Verwandtschaft mit dem Bischof von Krakau verblasste ein wenig neben den verwandtschaftlichen Beziehungen zu
     den Königen Artus, Salomon und Priamos. Sah man sich aber die Grüne Dame so an, konnte man eine Verbindung zu Zawisza, dem
     legendären bischöflichen Schwelger, nicht ausschließen. Aber auch andere Erinnerungen waren mit ihm verbunden. |400| Der Bischof hatte infolge sündhafter Begierde den Tod gefunden – ein Vater, dessen Tochter er sich gefügig zu machen versucht
     hatte, hatte ihn erschlagen. Und die Seele des Lüstlings hatten die Teufel geradewegs in die Hölle getragen, während sie dabei,
     was nicht wenige gehört haben wollten, mit wilder Stimme riefen: »Wir fahren zur Ops!«
    »Ich trinke auf dein Wohl, Reinmar!«
    »Auf Eure Gesundheit, Herrin!«
    Sie hatte sich zum Abendessen umgezogen. Die Haube mit dem Bilchpelz hatte einem samtenen
chaperon
mit einer Einfassung und einer Art
liripipe
aus Musselin Platz gemacht. Man sah jetzt das dunkle Blond ihrer Haare, die sie im Nacken mit einem Netz zusammengefasst hatte.
     An ihrem Hals glänzte in einem tiefen Dekolleté eine einfache Perlenkette. Die
cottehardie
, die sie über dem grünen Kleid trug, war an den Seiten eng zugeschnitten, was dazu diente, ihre Taille zu bewundern und sich
     an der Rundung ihrer Hüften zu erfreuen. Solche körpernahen Stellen, die absolut modern waren, nannten böswillige Menschen
les fenêtres d’enfer
, man behauptete nämlich, dass sie höllisch zur Sünde verführten. Da war schon was dran, aber was soll’s!
    Liebenthal und seine Kameraden hatten die Bank in der Ecke hinter dem Kamin besetzt und betranken sich dort mit finsterer
     Miene.
    Der Wirt tummelte sich ordentlich, die Schankmädchen rannten mit den Schüsseln wie besessen hin und her, sie bedienten auch
     die Knechte der Grünen Dame, die auf Speisen und Getränke daher auch nicht lange warten mussten. Das Essen war einfach, aber
     schmackhaft, der Wein ganz passabel und für diese Art von Gasthaus überraschend gut.
    Eine Zeit lang schwiegen sie, sich gegenseitig nur angespanntes Interesse durch Augenkontakt gestattend, und widmeten ihre
     ganze Aufmerksamkeit der Biersuppe mit Eigelb, der Forelle aus der Pilow, der Wildschweinwurst, dem Hasen in Sahnesoße und
     den Piroggen.
    |401| Danach gab es Kolatschen mit Kümmel und zyprischen Malvasier, Honigkuchen und noch mehr Malvasier, das Feuer im Kamin prasselte,
     die Schankmädchen störten nicht mehr, Liebenthal und seine Kameraden gingen in den Stall schlafen, es wurde sehr still und
     sehr warm, ja, geradezu heiß, das Blut pochte in den Schläfen und brannte auf den Wangen. Das Feuer spiegelte sich in feurigen
     Blicken.
    »Deine Gesundheit, Ephebe!«
    »Die Eure, Herrin!«
    »Trink. Willst du noch etwas sagen?«
    »Nie   ... Niemals würde ich eine Frau mit Gewalt nehmen. Nicht durch Gewalt und

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