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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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die alten, bewährten Methoden außer Acht zu lassen, scheinen mir doch die Beispiele aus der
     neuesten Geschichte die vortrefflichsten. Im Jahre neunzehn, also gerade mal vor acht Jahren, haben die böhmischen Katholiken,
     wenn sie der Anhänger des Kelches habhaft wurden, diese auf höchst unterschiedliche Weise umgebracht, einander an verschiedenen
     Verfahren übertreffend. Meiner Meinung nach gebührt dabei die Siegespalme Herrn Jan Švihovskyź Ryźmberka. Einem Hussiten,
     den er erwischt hatte, ließ Herr Švihovský Schießpulver in Hals und Mund stopfen und es dann anzünden. Augenzeugen behaupten,
     bei der Explosion seien dem Ketzer Rauch und Flammen auch aus dem Hintern gefahren.«
    »Als ich das hörte«, fuhr Biberstein mit sichtlicher Freude über Reynevans Gesichtsausdruck fort, »überkam mich Erleichterung.
     Nun wusste ich, was ich mit dir machen würde. Aber ich gehe noch etwas weiter als Herr Švihovský. Wenn du mit Pulver voll
     gestopft bist, lasse ich dir eine Bleikugel in den Arsch schieben und später messen, wie weit sie geflogen ist. Solch ein
     Schuss aus dem Arsch wird sowohl meinen väterlichen |407| Gefühlen als auch meiner Neugier als Forscher wohltun. Meinst du nicht auch?«
    »Ich muss dir des Weiteren, nicht ohne große Genugtuung, verkünden«, setzte er, ohne eine Antwort abzuwarten, hinzu, »dass
     ich auch nach deinem Tod Schreckliches mit dir vorhabe. Ich selbst halte dies freilich für idiotisch und nicht der Mühe wert,
     aber mein Kaplan besteht darauf. Du bist ein Häretiker, also werde ich deine Überreste nicht in geweihter Erde bestatten lassen,
     sondern sie irgendwo auf dem Felde verstreuen, den Raben zum Fraß. Denn, wenn ich es noch recht in Erinnerung habe:
Quibus viventibus non communicavimus, mortuis communicare non possumus.
«
    »Ich bin in Eurer Hand, Herr von Biberstein«, sagte Reynevan mit dem Mut der Verzweiflung, »bin Euch auf Gedeih und Verderb
     ausgeliefert. Ihr könnt mit mir verfahren, wie Ihr wollt. Wenn Ihr es wie ein Schinder halten wollt, wer sollte Euch daran
     hindern? Vielleicht wollt Ihr mich auch nur mit der Strafe schrecken, damit ich um Gnade flehe? Das werde ich nicht tun, Herr
     Johann. Ich bin ein Edelmann. Und ich werde mich nicht vor den Augen des Vaters der Frau, die ich liebe, herabwürdigen!«
    »Hübsch gesagt«, entgegnete der Herr auf Stolz kühl, »hübsch und tapfer. Du erweckst erneut meine Neugierde als Forscher:
     Wie lange wird deine Tapferkeit wohl andauern? Ha, lasst uns keine Zeit verlieren, Pulver und Kugel warten schon! Hast du
     noch einen letzten Wunsch?«
    »Ich möchte Fräulein Katharina sehen.«
    »Ach, und was noch? Willst du sie zum Abschied vielleicht noch mal vögeln?«
    »Und meinen Sohn. Das könnt Ihr mir nicht verbieten, Herr Johann!«
    »Ich kann es. Und ich verbiete es!«
    »Ich liebe sie!«
    »Dagegen weiß ich sofort einen Rat.«
    »Herr Johann«, mischte sich die Grüne Dame ein, und das |408| Timbre ihrer Stimme ließ einen an so mancherlei denken, unter anderem auch an Honig, »beweist Eure Großmut. Beweist Eure Ritterlichkeit,
     an Beispielen dafür fehlt es in der jüngsten Geschichte nicht. Sogar die böhmischen katholischen Herrn haben den letzten Wunsch
     der Hussiten erfüllt, bevor sie Pulver in sie gestopft haben. Erfüllt Ihr den letzten Wunsch des Junkers von Bielau, Herr
     Johann. Ich möchte anmerken, dass der Mangel an Beispielen für Großmut die Bevölkerung ebenso demoralisiert wie unangebrachte
     Milde. Darüber hinaus bitte ich für ihn.«
    »Das zählt!« Biberstein nickte. »Das zählt, Herrin! Soll es also geschehen. Holla, Dienerschaft!«
    Der Herr auf Stolz erteilte seine Befehle, die Diener eilten, sie auszuführen. Nach einer unerträglich langen Zeit des Wartens
     knarrte endlich die Tür. Zwei Frauen betraten die Rüstkammer. Und ein Kind. Ein Junge. Reynevan spürte, wie eine heiße Woge
     ihn überrollte und ihm das Blut in den Kopf stieg. Er spürte auch, wie er, ohne es zu wollen, den Mund aufmachte. Er machte
     ihn wieder zu, weil er nicht wie ein zur Salzsäule erstarrter Idiot aussehen wollte. Er war sich nicht sicher, wie dies wirkte.
     Er musste wie ein angewurzelt dastehender Idiot aussehen. Denn genauso fühlte er sich.
    Von den beiden Frauen war die eine eine Matrone, die andere ein junges Fräulein. Sowohl der Altersunterschied wie auch die
     verblüffende Ähnlichkeit ließen keinen Zweifel zu – es handelte sich um Mutter und Tochter. Auch die

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