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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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genannten Figuren nachzeichnend, »Ythethendyn, Thahonos,
     Micemya. Nelos, Behebos, Belhores.
Et diabolus stet a dextris.
«
    Der Hospitalbruder erschauderte. Er erkannte die Gesten und Formeln. Er konnte sie so weit deuten, um zu erahnen, dass Meister
     Grellenort einen schrecklichen Fluch über jemanden warf, einen Zauber, der fähig war, jene Person aus der Ferne mit Schwäche,
     Krankheit, Lähmung und sogar mit dem Tod zu belegen. Aber er hatte weder die Zeit, Angst zu haben, noch die Zeit herauszufinden,
     wen sich der Meister zu seinem Opfer auserkoren hatte. Der Akolyth nahm aus einem hölzernen Käfig rasch ein weißes Täubchen
     und reichte es ihm.
    Der Mauerläufer beruhigte mit einer sanften Berührung den flatternden Vogel. Und riss ihm dann mit einem heftigen Ruck den
     Kopf ab. Er hielt den Körper in der Faust und |443| drückte ihn wie eine Zitrone über dem
occultum
aus, das herabtropfende Blut bildete auf dem Pergament in sich verschlungene Muster.
    »Alon, Pion, Dhon, Mibizimi!
Et diabolus stet a dextris!
«
    Die nächste Taube riss der Mauerläufer, sie an den Flügeln und Füßen haltend, mitten durch. Den drei nächsten riss er mit
     seinen Zähnen die Köpfe ab.
    »Shadaj, El Chai!
Et diabolus stet a dextris
!
«
    Es wird dauern, dachte der Akolyth, bis der Zauber dorthin gelangt, wo er wirken soll. Aber wenn er einmal dort ist, wird
     der Mensch, für den er bestimmt ist, verloren sein.
    Federn und Daunen wirbelten durch die Krypta, verbrannten im Feuer und schwebten auf der warmen Luft hoch oben im Gewölbe.
     Der Mauerläufer spuckte die an seinen blutigen Lippen haftenden Federn aus und legte die Rute auf das blutgetränkte Pergament.
    »Rtsa-brgyud-blama-gsum-gyaaaal!«, schrie er. »Baibkaasngags-ting-adsin-rgyaaai! Zeige ihn mir! Finde ihn! Töte ihn!«
    Vor den Augen des erschrockenen Akolythen, der schon vieles gesehen hatte, begann sich das verkohlte Skelett auf dem Katafalk
     mit einer rötlichen Aura zu umgeben. Deren Schimmer verdichtete sich schnell, nahm Form an, wurde immer fester und materialisierte
     sich immer stärker, bis er das Skelett rasch mit einem leuchtenden Körper umgab. Karmesinrote Adern und Venen begannen sich
     zu winden und die verkohlten Knochen spiralenförmig zu umgeben.
    »N’ghaa, n’n’ghai-ghaaai! Iä! Iä! Finde ihn und töte ihn!«
    Das Skelett erzitterte. Es bewegte sich. Die Knochen schurrten über den Granit des Katafalks. Der schwarze Schädel klapperte
     mit den rußigen Kiefern.
    »Shoggog, phthaghn! Iä! Iä! Y-hah, y-nyah! Y-nyah!« |444| »Sheva! Aradia!« Malevolt streute eine Hand voll Pulver auf die Kohlen, dem Geruch nach eine Mischung aus getrocknetem Beifuß
     und Kiefernnadeln. In die emporsteigende Flamme goss er aus einem kleinen Flakon Blut.
    »Aradia!
Regina delle streghe!
Der Blick dessen, der mich belauert, soll sich trüben. Furcht soll ihn ergreifen.
Fiat, fiat, fiat!«
    »Eia!« Der Mamun goss drei Tropfen Olivenöl auf die Kohlen und schnippte mit den Fingern. »Sheva! Eia!«
    Con tre gocciole d’olio,
    mit drei Tropfen Öl,
    beschwöre ich dich, stirb, verbrenne, malocchio.
    Vergehe durch Aradias Macht.
    Se la Pellegrina adorerai
    Tutto tu otterai!
    Die Kerzenflammen schossen jäh und mit Macht empor.
     
    Die Kerzen erloschen plötzlich und erfüllten die Krypta mit stinkendem Qualm. Das Feuer im Dreifuß zog sich in die Glut zurück
     und glomm nur noch verstohlen in der Tiefe. Das Skelett auf dem Granitkatafalk zerfiel mit Geklapper wieder in hundert schwarze,
     verkohlte Knochen und Knöchelchen.
    Das mit nekromantischen Hieroglyphen bedeckte, blutgetränkte und gefederte Pergament auf dem Pult brannte unversehens mit
     hellem Feuerschein, kräuselte sich, wurde schwarz. Und zerfiel. Die Magie, welche die Krypta bis vor kurzem noch wie mit warmem
     Leim durchzogen hatte, war verschwunden. Vollständig und unumkehrbar.
    Der Mauerläufer fluchte lästerlich.
    Der Hospitalbruder seufzte. Ein wenig erleichtert, wie es schien.
    So war das eben mit der Magie. Es gab Tage, an denen |445| schlichtweg nichts gelang. An denen alles misslang. Da blieb nichts anderes übrig, als die Magie an diesem Tag ruhen zu lassen.
     
    Bevor er den eigentlichen Liebeszauber übte, hatte sich Malevolt nach der Sitte des alten Volkes mit einem Kranz aus Reisig
     geschmückt. Er sah damit so komisch aus, dass Reynevan alle Mühe hatte, ernst zu bleiben.
    Der eigentliche Liebeszauber war denn auch verblüffend einfach: Der Mamun beschränkte

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