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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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vom Lägelbach war verschwunden.
     Wie ein Stein im Wasser. Er hatte die ihm von Reynevan zugestandene Woche gut genutzt. In sieben Tagen, meinte der Goliarde,
     könne man getrost bis Lübeck gelangen und von dort aus bis ans Ende der Welt. Kurz gesagt: Vogelsang gebe es nicht mehr, Vogelsang
     könne man vergessen, Vogelsang könne man abhaken. Prokop müsse davon erfahren. Sofort. Man brauche nicht mehr länger auszuharren.
    Lasst uns zur Sicherheit noch etwas warten, schlug Reynevan vor. Noch eine Woche. Oder besser anderthalb   ...
     
    Reynevan hatte bereits die Hoffnung so weit aufgegeben, dass er nun nicht mehr im »Silbernen Glöckchen« herumsaß und sich
     die Langeweile mit der Lektüre des ›Horologium Sapientiae ‹ von Heinrich Seuse vertrieb, welches ein Baccalaureus im Gasthaus
     gelassen hatte, als er sein Essen nicht bezahlen konnte. Morgens sattelte Reynevan sein Pferd und ritt aus. Oft in die Gegend
     von Brieg. Und in die Gegend von Schönau, dem Besitz von Mundschenk Bertold de Apolda. Die Grüne Dame hatte zwar behauptet,
     Nicoletta sei nicht in Schönau, aber warum sollte man das nicht selbst überprüfen?
    Tybald, der immer häufiger nach Wolmessen kam, fand dies bald heraus und hatte ihn rasch durchschaut. Er ließ sich nicht |436| mit Ausreden abfertigen und zwang Reynevan zu einem Geständnis. Nachdem er es gehört hatte, verfiel er in eine düstere Stimmung.
     Solche Dinge würden meist ein böses Ende nehmen, erklärte er.
    »Kaum hast du dich aus einem Liebesabenteuer herausgewunden, kaum bist du wie durch ein Wunder Biberstein entkommen, steckst
     du schon mitten in der nächsten Romanze! Das kann dich teuer zu stehen kommen, Junker. Mundschenk Apolda ist kein Mann, der
     sich in die Suppe spucken lässt, und der Bischof und Grellenort können ebenfalls zwei und zwei zusammenzählen, vielleicht
     lauern sie dir sogar schon in Schönau auf. Auch Johann von Münsterberg kann dich dort abpassen. In Schlesien gehen schon himmelschreiende
     Gerüchte über dich um.«
    »Himmelschreiende Gerüchte? Wie das?«
    Gerüchte breiteten sich aus, berichtete der Goliarde, und es sei nicht ausgeschlossen, dass jemand sie absichtlich in Umlauf
     bringe. Herzog Johann habe in Münsterberg seine Wachen verstärken lassen, angeblich habe ihn sein Hofastrologe vor einem Attentat
     gewarnt. In der Stadt sei ganz offen von einem Rächer die Rede, der Adeles Tod sühnen wolle. Überall spreche man auch über
     den Meuchelmord in Lauenbrunn. Das Echo des Überfalls auf den Steuereinnehmer kehre wieder. Seltsame Leute tauchten auf und
     stellten seltsame Fragen. Mit einem Wort, fasste Tybald Raabe abschließend zusammen, Eskapaden solle man jetzt in Schlesien
     tunlichst vermeiden. Besonders solche in und um Schönau.
    »Vogelsang gibt es nicht mehr, aber du, Reinmar, hast in Schlesien immer noch eine Mission zu erfüllen. Noch vor Weihnachten
     kannst du mit Filous Boten rechnen. Es wird wichtige Dinge zu erledigen geben, da ist es gut, wenn du dich bewährst. Wenn
     du dich nicht bewährst, und es kommt heraus, dass Liebäugeln und Tändeln die Ursachen dafür sind, dann haftest du mit deinem
     Kopf. Und um diesen Kopf ist es schade.«
    |437| Tybald ritt wieder weg. Und Reynevan, der bis dahin noch unentschlossen gewesen war, dachte nun unaufhörlich an Nicoletta.
     
    Am achtundzwanzigsten November erschien Jon Malevolt, der anarchistische Mamun, in Wolmessen. Mit einem ziemlich überraschenden
     Vorschlag. In den umliegenden Wäldern, erklärte er, wobei er vielsagend zwinkerte und sich die Lippen leckte, gebe es zwei
     Waldhexen, jung, rundlich und sympathisch, die großen Bedarf hätten und der Monogamie abgeneigt seien. Zudem verstünden sie
     sich darauf, ein ganz vorzügliches Bigos zu kochen. Er, Malevolt, sei im Begriff, den Hexen einen freundschaftlichen Besuch
     abzustatten, aber zu zweit sei es doch noch viel angenehmer, wie man so sage. Als er sah, dass Reynevan seufzte, zögerte und
     Ausflüchte machte, ließ der Mamun einen Krug Branntwein kommen und begann ihn auszufragen.
    »Du liebst also«, fasste er das Gehörte zusammen, mit dem Finger in den Zähnen bohrend, »du liebst, seufzt sehnsüchtig und
     verkommst dabei und bist, zu deinem Leidwesen, auch noch völlig unproduktiv. Das ist eine alte Geschichte, besonders bei euch
     Menschen, ihr mögt das anscheinend, eure Dichter können scheint’s ohne dies keine zwei Verse aufeinander reimen. Aber du bist
     schließlich Toledo, Bruder.

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