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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Klarissen.
     Und mussten unweigerlich zum Händchenhalten führen. Die Äbtissin gab zwar ostentativ vor, nichts zu sehen, aber die Verliebten
     wagten nicht mehr.
    Der Mamun Malevolt, der am siebzehnten Dezember im »Glöckchen« eintraf, hatte, was das Kloster anbelangte, einiges anzumerken.
     Einiges, denn das eine oder andere hatte Reynevan auch ohne ihn schon in Erfahrung gebracht. So zum Beispiel, dass die Kirche
     mit den weiß getünchten Mauern, deren Name
Alba Ecclesia
sich auch auf das Nachbardorf bezog, seit mindestens hundertfünfzig Jahren bestand und das Dorf früher den Herren von Baitzen
     gehört hatte. Als dieses Geschlecht ausstarb, hatte Herzog Bolko I. von Jauer und Schweidnitz, der Ururgroßvater des Johann
     von Münsterberg, das Dorf den Strehlener Klarissen geschenkt und in Weißkirchen ein Klösterchen gegründet. Eine Propstei.
    »Das ist aber weder ein gewöhnliches Kloster noch eine einfache Propstei«, unterrichtete ihn Malevolt, wobei er ein merkwürdiges
     Gesicht machte. »Weißkirchen, heißt es, ist ein Ort der Strafe, ein Ort der Verbannung. Für ungehorsame Nonnen. Nämlich für
     solche, die selbstständig denken. Zu viel, zu oft, zu selbstständig und zu frei. Angeblich hat sich dort schon eine echte
     Elite von Freidenkerinnen versammelt.«
    »Was denn? Und Jutta?«
    »Deine Jutta muss ziemlich gute Beziehungen haben«, der Mamun zwinkerte, »denn nach Weißkirchen zu kommen ist der Traum der
     meisten schlesischen Nonnen und Novizinnen.«
    »An einen Ort der Verbannung und der Isolation zu kommen?«
    |466| »Bist du schwer von Begriff oder was? Erst neulich haben wir von Universitäten und Mädchen gesprochen, darüber, dass keine
     Universität der Welt jemals Mädchen über ihre Schwelle lassen wird, um keinen Preis. Aber es gibt bereits Frauenuniversitäten.
     Geheime, in Klöstern verborgen, in solchen wie Weißkirchen. Mehr sage ich nicht. Das sollte dir genügen.«
    Mehr dazu trug Urban Horn einige Tage später bei.
    »Eine Universität?« Er verzog das Gesicht. »Na ja, so kann man’s auch nennen. Mir ist aber irgendwie zu Ohren gekommen, dass
     der Lehrstoff dort Lehren enthält, wie du sie an anderen Universitäten nicht findest.«
    »Hildegard von Bingen? Christine de Pisan? Hmm   … Joachim von Fiore?«
    »Zu wenig. Gib noch Mechthild von Magdeburg, Beatrijs von Nazareth, Juliane von Lüttich, Baudonivia und Hadewijch von Brabant
     hinzu. Dazu noch Elsbeth Stangl, Marguerite Porette und Heylwighe Bloemardinne von Brüssel. Und zur Abrundung Mayfreda da
     Pirovano, die Päpstin der Guglielmiten. Mit den letzten Namen würde ich etwas vorsichtig sein, wenn du deine Liebste nicht
     in Schwierigkeiten bringen willst.«
     
    Es schneite und schneite unaufhörlich, die Welt versank in weißem Pulverschnee, bis zur Hälfte auch das Gasthaus »Zum silbernen
     Glöckchen«. Die Wege waren vollkommen zugeweht. Reynevan musste daher, ob er wollte oder nicht, auf seine Ritte nach Weißkirchen
     und die Begegnungen mit Jutta de Apolda verzichten. Die Schneewehen waren so hoch, dass auch die heißeste Liebe darin stecken
     bleiben und abkühlen musste.
     
    Am letzten Sonntag vor Weihnachten hörte der Schneefall auf, die Schneewehen nahmen ab, und die Wege wurden wieder begehbarer.
     Da brachte Tybald Raabe zu Reynevans großer |467| Freude Scharley und Samson Honig mit nach Wolmessen. Als die Freunde sich begrüßten und umarmten, war ihre Rührung so groß,
     dass ihnen Tränen in den Augen standen, ja sogar Scharley schniefte ein- oder zweimal.
    Sofort fanden sich denn auch ein, zwei Krüglein ein, und zu erzählen hatten sich alle so viel, dass es beileibe nicht bei
     diesen beiden Krüglein blieb.
    Nach der Flucht aus der Umgebung von Troský hatte Samson Scharley, Berengar Tauler und Amadeus Bata gesucht, und alle drei
     hatten sofort beschlossen, sich auf die Suche nach Reynevan zu begeben. Da sie wussten, dass sie zu viert nicht viel gegen
     die schwarzen Reiter Grellenorts würden ausrichten können, waren sie, so schnell die Pferde vermochten, nach Michalovice galoppiert,
     um Jan Čapek um Hilfe zu bitten. Čapek hatte sich einverstanden erklärt, mehr als Reynevan schien ihn aber jener unterirdische
     Geheimgang, durch den Reynevan und Samson aus Troský entflohen waren, zu interessieren. Man kann sich also leicht den Ärger
     des Hauptmanns vorstellen, als sich herausstellte, dass Samson vergessen hatte, sich zu merken, wo genau die Höhle lag, und
     auch nicht

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